Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte

Unbekanntes 1988

Die Texte des Themenschwerpunktes Unbekanntes 1988. Deutsch-deutsche Perspektiven auf das „Jahr davor“  sind im Rahmen einer Übung des "Schreiblabors Geschichte" entstanden. Die Übung fand im Wintersemester 2013/14 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter Leitung von Christoph Lorke und Alexander Kraus statt. Die daraus entstandenen Texte werden wir in loser Reihenfolge jeweils wöchentlich auf Zeitgeschichte-online veröffentlichen. Der Schwerpunkt nimmt insgesamt sechs, sehr unterschiedliche, Themenfelder des Jahres 1988 in den Blick.

Einleitung: Unbekanntes 1988

Wohl nur wenige Zeitgenossen teilten im Jahr 1988 Helmut Kohls Optimismus, der ein baldiges Ende der Zweistaatlichkeit prophezeite. Im Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation im geteilten Deutschland betonte er am 1. Dezember im Deutschen Bundestag, sich mit der „Teilung unseres Vaterlandes“ mitnichten abfinden zu wollen: „Die Teilung zu überwinden und bis dahin den Zusammenhalt der Nation zu bewahren“,[1] formulierte er als die beiden wesentlichen Ziele einer „verantwortungsvollen“ Deutschlandpolitik.

Vor 75 Jahren: Die Polen-Erlasse

Am 8. März 1940 gab das Reichssicherheitshauptamt die sogenannten Polen-Erlasse heraus. Dieses rassistische Sonderrecht diskriminierte fast drei Millionen polnische Zwangsarbeiter und führte mit dem P-Abzeichen erstmals eine stigmatisierende Kennzeichnungspflicht im Deutschen Reich ein; 1941 folgte der Judenstern, 1942 das OST-Abzeichen. Heute ist dieses zen­trale Instrument natio­nalsozialistischer Ausgrenzungs- und Ausbeutungspolitik weithin vergessen; in der auf Gedenktage fixierten Erinnerungskultur fand der 75. Jahrestag der Polen-Erlasse im März 2015 wenig Beachtung.

Interstellar

“You have to send a human somewhere if you really want to find difficult answers: Is there life somewhere else in our universe? Is there the real possibility that humans can exists somewhere away from earth? That’s really, really important,” äußerte sich der Direktor der berühmtesten Raumfahrtbehörde der Welt, Charles F. Bolden, im Dezember 2014 in einem auf CNN ausgestrahlten Interview zur aktuellen Agenda der NASA. “I happen to be one who believes that a multi-planet species can survive in perpetuity.

Von der Lust mit dem System zu spielen

Deutschen Filmen wird gerne vorgeworfen, sie seien kompliziert. Dieser Vorwurf kann Baran bo Odars neuem Film „Who Am I – Kein System ist sicher“ nicht gemacht werden. Im Fokus des Thrillers steht eine Gruppe von jungen Erwachsenen, denen es beim Hacken vor allem um Spaß und Anerkennung geht. Der Plot reproduziert dabei gängige Hackerklischees einer eigentlich viel heterogeneren Szene. Trotz eines manchmal schwachen Handlungsstrangs funktioniert der Film als Thriller: Es gibt spannende Szenen, eine überaus gelungene Bildsprache und schließlich sehr unterhaltsame Momente.

Die Göttinger Bücherhöhle

Gerhard Steidl ist besessen. Er ist manisch. Süchtig. Und er weiß um seine Sucht: Seine Drogen, so erklärt der Göttinger Verleger, sind „Farbgeruch und Papier“. Deswegen hat sich Steidl in den vergangenen 36 Jahren eine Bücherhöhle erschaffen: Ein verwinkeltes Verlagshaus, das einer Hexenküche gleicht, in der es rattert, rauscht und zischt, in der ein undurchdringliches Chaos herrscht, dessen Ordnung nur der Hexenmeister höchstpersönlich kennt. Steidl und sein Verlag scheinen aus einer anderen, vergangenen, märchenhaften Welt zu stammen.

Weltkrieg und Weltstraße

Während sich an den West- und Ostgrenzen des Deutschen Reiches Deutsche, Franzosen und Russen die frühen Schlachten des Ersten Weltkrieges lieferten, fuhr das amerikanische Militärschiff Ancon am 15. August 1914 durch den Panamakanal, um dessen Eröffnung zu markieren- am Mast die Fahne der pazifistischen Vereinigung American Peace Society.