Vom „Teufel Alkohol“ in der DDR

„Für Schnaps verkauf’ ich meine Mutter.“[1]
Angelika Perdelwitz als Xenia Peters in „Polizeiruf 110: Flüssige Waffe“ (1988)

Wer am Abend des 18. Dezember 1988 in der DDR den Fernsehfilm Flüssige Waffe aus der Krimiserie Polizeiruf 110 anschaut, lernt die von Ulrich Mühe dargestellte Hauptfigur Kegel als einen freundlichen und kameradschaftlichen Mann kennen. Als erfahrener Patient in einer Entzugsklinik hilft er den Neuen geradezu vorbildlich und geht in der angegliederten Schlosserei gewissenhaft seiner Arbeit nach. Nach seiner Entlassung strebt Kegel, von seiner Alkoholsucht geheilt, mit seiner Freundin und deren kleiner Tochter einen Neuanfang an. Mit seiner Vergangenheit als Alkoholkranker möchte er ebenso abschließen wie mit kleinkriminellen Machenschaften, die ihn erst in die Abhängigkeit getrieben haben. Doch diese optimistische Ausgangslage wendet sich abrupt. Denn Kegel ist Teil des geheimen Plans der alkoholkranken Xenia Peters, des Kriminellen Wiesmeiers und deren namenloser Auftraggeberin – es geht um einen Einbruch in eine Kirche, in der wertvolle Kunstwerke ausgestellt werden. Aber Kegel weigert sich, an dem Verbrechen mitzuwirken. Um ihn gefügig zu machen, wird er daraufhin von Wiesmeier entführt und unter Gewaltanwendung zum Alkoholkonsum genötigt. Auf diese dramatische Art rückfällig geworden, hat die Sucht Kegel schon bald wieder fest im Griff: Um von Wiesmeier weiteren Alkohol zu bekommen, erniedrigt er sich gar vor diesem. Zwar gelingt ihm schließlich die Flucht, doch ist aus dem liebevollen Lebensgefährten und Ziehvater durch den erneuten intensiven Alkoholkonsum ein völlig veränderter, nunmehr lallender und zittriger Mann geworden. Kegel hat sich selbst nicht mehr in der Gewalt, wird vom Alkoholismus beherrscht. Wenn auch eher zufällig, so unterstützt er am Ende die Polizei dabei, die geplante Straftat zu verhindern. Durch einen erneuten Aufenthalt in der Klinik möchte Kegel seine Alkoholkrankheit noch einmal bekämpfen, zweifelt aber an den Erfolgschancen. „Vielleicht wird alles gut“,[2] versucht er seine Freundin zu trösten – alles andere als ein Happy End.

Die Resonanz auf diese Folge des Polizeirufs ist in der DDR durchweg positiv: Von der DEFA wird Flüssige Waffe als „Bester Fernsehfilm Serie/Reihe“ des Jahres 1988 ausgezeichnet.[3] Auch in den Medien wird die Episode, die immerhin 37,7 % aller Fernsehhaushalte sahen,[4] durchweg gut besprochen:[5] Es handele sich um keinen „Null-acht-fünfzehn-Polizeiruf“,[6] sondern um eine der besten Folgen der Reihe,[7] die „für spannende Unterhaltung gesorgt“ habe[8] und besonders in Erinnerung bleibe.[9] Gelobt werden vor allem die schauspielerischen Leistungen Ulrich Mühes und Jenny Gröllmanns.[10] Mühes Darstellung etwa – so die Berliner Zeitung – sei so authentisch gewesen, „daß es förmlich nach Alkohol roch“.[11] Auch der Umgang mit dem Themenkomplex Alkoholabhängigkeit und Kriminalität wird als gelungen bewertet: Die Folge zeichne sich durch „genaues Hinsehen, Nachfühlen und Weiterdenken“[12] aus und umgehe „Schwarz-Weiß-Malerei […] und oberflächliche […] Argumentationen“.[13] In der Neuen Zeit wiederum heißt es begeistert: „Wir erlebten ein Stück DDR-Alltag, ungeschminkt und nicht von seiner Schokoladenseite, als realistische, mit filmischen Mitteln geformte Darstellung unserer Gegenwart.“[14] Auch Ulrich Mühe gibt im Interview mit der Berliner Zeitung an, „Gegenwart in so direkter Form […] noch nie gemacht“ zu haben.[15] Wie nah an der DDR-Wirklichkeit ist die Handlung des Fernsehfilms tatsächlich und wie repräsentativ das Schicksal des alkoholkranken Kegel?

Eine Analyse der Literatur- und Fernsehlandschaft der späten 1980er Jahre zeigt eine deutliche Präsenz des Themas Alkoholabhängigkeit. Neben weiteren Folgen des Polizeirufs[16] behandeln auch andere fiktionale und dokumentarische Formate die Themen Alkoholismus und übermäßigen Alkoholkonsum.[17] So erscheinen beispielsweise 1986 gleich mehrere Romane, in denen Alkoholiker ihre Abhängigkeit beschreiben.[18] Der katholische St. Benno-Verlag in Leipzig gibt beispielsweise das Ratgeberheftchen Alkoholkrank. Was nun? Was tun?[19] heraus. In einem fiktiven Briefwechsel zwischen einem Arzt und einem Pfarrer wird die Krankengeschichte des Herrn K. erzählt. Zwischen den Briefen informieren immer wieder kurze Kapitel über die Krankheitsverlauf der Alkoholabhängigkeit, Entzugserscheinungen und Therapievoraussetzungen.[20] Im Anschluss an den Briefaustausch findet sich ein Bericht des Betroffenen K. selbst, der – inzwischen durch das ärztlich verschriebene Medikament Disulfiram geheilt – rückblickend seine Abhängigkeit schildert.[21] Der Verfasser der Broschüre, Andreas Dudeck, gibt im Unser Problem betitelten Vorwort an, die erzählte Krankengeschichte sei ebenso individuell wie repräsentativ: „Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit der Lebensgeschichte lebender Personen [seien] beabsichtigt und doch rein zufällig.“[22] Ebenfalls im St. Benno-Verlag erscheint 1988 unter dem Titel Warum war die Nacht so lang der autobiografische Suchtbericht des französischen Jesuiten und Liedermachers Aimé Duval. Schritt für Schritt vermag der Leser Duvals Weg in die Alkoholsucht mitzuerleben – seine hilflosen Versuche der Selbstrechtfertigung ebenso[23] wie schließlich seinen Weg aus der Abhängigkeit. Dazu gehören auch die Treffen mit den Anonymen Alkoholikern, deren Prinzipien im Klappentext des Buches abgedruckt sind.

 

Alkoholmissbrauch in der DDR – Definitions- und Eingrenzungsversuche

Ein Blick auf das Problem des Alkoholismus in der späten DDR bringt schnell begriffliche Unklarheiten zutage. Angeregt durch die Zuschrift eines Lesers, der sich von der Redaktion der Berliner Zeitung eine Antwort auf die Frage erhofft, „was unter Alkoholabhängigkeit und ‑mißbrauch zu verstehen ist, und wie jeder dagegen kämpfen kann“,[24] erklärt der Mediziner Siegfried Fritsche in der Rubrik Ärztlicher Ratgeber am 22. Oktober 1988: Man spreche von Alkoholabhängigkeit als Krankheit, wenn „größere Mengen von Alkohol erforderlich“ seien, um eine „psychisch angenehme Stimmungslage zu erreichen“, wenn Alkohol „in den Stoffwechsel eingebaut“ sei und „der gesamte Lebensinhalt von Alkohol bestimmt“ werde. Mit einer exakten Definition des Begriffes Alkoholmissbrauch tut Fritsche sich jedoch schwer. Zwar erklärt er, Missbrauch könne eine Vorstufe auf dem Weg zur Alkoholkrankheit sein, weist aber zugleich darauf hin, dass ein solcher nicht allein an dem „Verbrauch konkreter absoluter Alkoholmengen“ festgemacht werde könne und insofern nicht allgemeingültig zu bestimmen sei.[25]

Auch der innerfachliche medizinische Diskurs muss sich mit diesem Problem auseinandersetzen. Wie schwierig es ist, Termini wie Alkoholismus, Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit zu definieren und voneinander abzugrenzen, machte Heide-Ulrike Jähnig bereits in ihrem Aufsatz Alkoholmißbrauch und Alkoholabhängigkeit von 1979 deutlich: Zwar sei Alkoholabhängigkeit entsprechend der Definitionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eindeutig als Krankheit einzugrenzen, doch befindet sie, ähnlich wie Fritsche, es sei weit schwieriger, den Begriff Missbrauch eindeutig zu bestimmen.[26] In ihren Ausführungen wird deutlich: Der jeweilige (disziplinäre) Standpunkt, Anlass und das Erkenntnisinteresse bestimmen die Definition. Beispielhaft zitiert Jähnig unter anderem Erich Schüler,[27] der 1969 als wissenschaftlicher Oberassistent an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg Alkoholmissbrauch wie folgt definierte: Als

„Genuss von Alkoholika, der die verantwortungsbewusste Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, die Würde der Persönlichkeit und das soziale Gemeinschaftsleben und das Zusammenwirken der Menschen beeinträchtigt sowie die sozialistische Persönlichkeitsentwicklung oder die Gesundheit gefährdet und damit im Widerspruch zu den sozialistischen Moralanforderungen und zur sozialistischen Lebensweise steht.“[28]

Jähnig bescheinigt Schülers Begriffsbestimmung, die in Wortwahl und Argumentationsstruktur stark an sozialistische Propaganda- und Parteiprogramme angelehnt ist, zwar eine kriminologische Brauchbarkeit bei der strafrechtlichen Verfolgung von Alkoholstraftaten in der DDR. Gleichzeitig hält sie die Definition aber „weniger für soziologische Forschungen über Trinksitten anwendbar“.[29] Ähnlich argumentierte auch John Lekschas, Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR und Dekan der Gesundheitswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität, der Alkoholismus nicht als ein „individuelles, sondern [als] ein soziales Problem“ benennt.[30] Die Ursachen für das Entstehen von Alkoholabhängigkeit seien insofern in der „Gestaltung der konkreten sozialen Beziehungen, in denen die Menschen stehen“, auszumachen. Zwar beinhaltet auch Schülers Begriffsverständnis eine soziale Komponente, aber während bei Lekschas die Gründe für Alkoholmissbrauch als „sozial“ definiert werden,[31] sind es bei Schüler lediglich die Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs des Einzelnen, die der Gesellschaft schaden können.[32] Die Problematik einer fehlenden allgemein gültigen, exakten Definition, die Auseinandersetzung mit Schülers Begriffsverständnis und nicht zuletzt die Frage nach der gesellschaftlichen Dimension, die bis in die späten 1980er Jahre hinein nur vorsichtig formuliert werden kann, bleiben in der Forschung bis zum Ende der DDR bestehen.[33]

 

DDR-Alkoholkonsum im Vergleich

Ebenso schwer wie die Formulierung einer allgemein anerkannten Definition fällt zum Ende der DDR auch der Versuch, eine präzise Anzahl der Alkoholkranken zu ermitteln. Während in den 1960er und frühen 1970er Jahren in populärwissenschaftlichen Beiträgen zum Teil exakte Daten über das Ausmaß der Alkoholkrankheit in der DDR zu finden waren,[34] fehlen vergleichbare Informationen für die 1980er Jahre. Zwar wird das Thema Alkoholabhängigkeit durchaus in einigen ausführlichen Medienberichten erläutert,[35] genaue Angaben zur Quote in der DDR sucht man dort allerdings vergeblich. Diese Leerstelle ist einerseits Folge der einsetzenden staatlichen Tabuisierung des Problems,[36] andererseits offenbart sich in den 1980er Jahren zugleich auch in der Fachwelt eine große Unsicherheit in Bezug auf die richtige Methodik zur Quotenbestimmung – und dies über die Landesgrenzen hinweg.

Der Blick auf die DDR bringt unterschiedliche Verfahren und lokale Studien mit verschiedenen Ergebnissen zutage.[37] Ende der 1980er Jahre schätzen ostdeutsche Mediziner den gesellschaftlichen Anteil an Alkoholkranken auf 2 % bis 3 %, während ost- wie westdeutsche Regimegegner bezeichnenderweise wesentlich höhere Zahlen bekanntgeben. In einem Zeitungsartikel der Welt wird beispielsweise im Mai 1988 berichtet, die evangelische Synode der DDR gehe von einer Quote von 6 % aus[38] – wobei zu fragen ist, ob hier nicht der politische Standpunkt das Ergebnis beeinflusst. Den Zahlen der DDR-Forschung zum Alkoholismus muss allerdings zugutegehalten werden, dass ihrerseits gerade im betreffenden Jahrzehnt – im Gegensatz zur staatlichen (Anti-)Alkoholpolitik – kein Bemühen zu erkennen ist, die reale Situation zu vertuschen. Vielmehr ist man an einer möglichst genauen Berechnung interessiert, um auf die Dringlichkeit medizinischer und rechtlicher, vor allem aber politischer und ökonomischer Maßnahmen hinzuweisen. Dazu passt, dass die heutige Forschung von ähnlichen Werten (zwischen 2,5 % und 3 %) für die späten 1980er Jahre ausgeht.[39] Damit ist die Zahl der Alkoholkranken zwar im internationalen Vergleich eher hoch, aber nicht höher als etwa in der Bundesrepublik.[40]

Statistisch ermittelt, nimmt jeder Ostdeutsche 1988 im Schnitt 143 Liter Bier, 12,1 Liter Wein/Sekt und 16,1 Liter Spirituosen zu sich.[41] Damit ist 1988 das Jahr mit dem historisch höchsten Gesamtkonsum an Alkoholika in der DDR.[42] Umgerechnet werden demnach pro DDR-Bürger 11 Liter Reinalkohol konsumiert.[43] Der Vergleich mit anderen Jahrgängen zeigt, dass der Alkoholkonsum in Ostdeutschland seit den 1950er Jahren kontinuierlich angestiegen ist. Diese Tendenz lässt sich auch in der Bundesrepublik, in anderen westeuropäischen Staaten und in Nordamerika feststellen. Eine DDR-spezifische Besonderheit stellt allerdings die Entwicklung in den 1980er Jahren dar: Während in der Bundesrepublik ein leichter Rückgang beim Pro-Kopf-Konsum von Reinalkohol zu verzeichnen ist, der mit dem Trend in Westeuropa korrespondiert,[44] setzt sich in der DDR die Steigerung fort. Dieser holt – trotz wesentlich niedrigerer Ausgangswerte zu Beginn der 1950er Jahre – beinahe die Werte des bundesdeutschen Nachbarn ein. Besonders hervorzuheben ist hier die Entwicklung des Konsums der sogenannten „harten“, sprich hochprozentigen Alkoholika, der Spirituosen: Zunächst stieg der Konsum in beiden deutschen Staaten in den 1950er und 1960er Jahren an, wobei für die Bundesrepublik ein höheres Ausgangsniveau zu verzeichnen war. Im Jahr 1974 überholten die Ostdeutschen die Westdeutschen allerdings in Bezug auf den durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch. Ab 1987 weisen die Bürger der DDR schließlich den höchsten Spirituosenverbrauch der Welt auf. 1988 ist der Spirituosenkonsum in der DDR gar zweieinhalb Mal so hoch wie in der Bundesrepublik.

Die Vorliebe der Bevölkerung für harte Alkoholika steht dabei im krassen Gegensatz zur herrschenden ideologischen Vorstellung, nach der gerade starker Alkoholkonsum – in der Tradition der marxistischen Theorie – als „Bremse des Fortschritts“ und als Merkmal kapitalistischer Gesellschaften gilt.[45] Der Plan, die Ostdeutschen im Rahmen der „sozialistischen Kulturrevolution“ in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren zum „kulturvollen Glas Wein“ zu erziehen, war bald an der Realität gescheitert.[46] Alkoholpolitisch motivierte Preiserhöhungen für Spirituosen in den Jahren 1958 und 1971 konnten den Verkauf harter Alkoholika zwar kurzzeitig drosseln – dauerhaft ist der Konsumanstieg aber nicht aufzuhalten. Woher aber kommt diese ostdeutsche Vorliebe für Spirituosen?

 

Merkmale der DDR-Trinkkultur

Der hohe Spirituosenkonsum und die große Menge Alkohol pro Kopf lassen eine DDR-spezifische Trinkkultur erahnen, die sich grundsätzlich von den Gepflogenheiten im Umgang mit Alkohol in der Bundesrepublik abhebt. Trotz des Werbeverbots sind bunte Schnapsflaschen aus vielen Schaufenstern nicht wegzudenken.[47] Während der hohe Konsum an Spirituosen in der DDR im Jahr 1988 in westdeutschen Medienberichten immer wieder hervorgehoben und zum Teil als Beleg für die schlechten Lebensbedingungen in der DDR angeführt wird, die nur mit Alkohol zu ertränken seien,[48] trinken die Ostdeutschen ihre Schnäpse und Liköre in der Regel jedoch keineswegs mit dem Ziel des Vollrausches. Vielmehr gehört das Alkoholtrinken zu jedem besonderen Anlass im Kollegen-, Freundes- und Familienkreis sowie bei offiziellen Feiern aus geselligen Gründen einfach dazu. Mitunter werden sogar extra Trinkgelegenheiten geschaffen.[49] Schnaps ist dabei ein universelles Getränk für verschiedene Gelegenheiten: Er dient weniger der Flucht aus dem Alltag und ist vielmehr fester Bestandteil desselben.

Dies legt nahe, warum die Drogengeschichte der DDR bis 1989 vor allem eine Alkoholgeschichte bleibt: Der Alltag und das damit verbundene Drogenkonsumverhalten in der DDR waren nicht vereinbar mit den individualisierenden Konsumformen von psychoaktive Substanzen wie Heroin und Kokain und deren stärkeren Selbstbezug.[50] Die „Alltagsdroge“ Alkohol passte offensichtlich besser zu den Lebensbedingungen der Menschen. Zudem waren Verfügbarkeit wie auch Konsumierungsmöglichkeiten für illegale Drogen in der DDR durch Grenzkontrollen und die starke Überwachung begrenzt.

 

Alkoholkonsum und Kriminalität im Spiegel der Medien…

Aus dem hohen Alkoholkonsum der Bevölkerung ergibt sich für die politische Elite nicht nur ein ideologischer Zwiespalt, sondern auch ein realpolitisches Problem. Dies manifestiert sich etwa im häufigen Zusammenspiel von Alkoholgenuss und Kriminalität, das auch in der Polizeiruf-Folge Flüssige Waffe aufgegriffen wird. Dass Verbrechen infolge übermäßigen Alkoholkonsums nicht nur in den Unterhaltungsformaten des DDR-Fernsehens, sondern auch in der Realität vorkommen, zeigt die Analyse ostdeutscher Zeitungsartikel aus dem Jahr 1988. Hier wird insbesondere in den Gerichtsreportagen Unser Gerichtsbericht (Berliner Zeitung) und Mit der Gesellschaft in Konflikt (Neue Zeit) häufig über Straftaten berichtet, die vornehmlich junge Straftäter unter Alkoholeinfluss begangen haben. Doch werden diese Fälle allesamt als Ausnahmen interpretiert. Als Verantwortliche für das Fehlverhalten der Jugendlichen und ihren maßlosen Alkoholkonsum werden häufig die Eltern oder der Freundeskreis ausgemacht.[51]

Ein Teilbereich der alkoholbedingten Verbrechen, das Fahren unter Alkoholeinfluss, wird im Jahr 1988 in der Polizeiruf-Folge Amoklauf thematisiert.[52] Die Hauptfigur Hermann Gruber wird nach der Beerdigung des Vaters, bei der er reichlich Alkohol getrunken hat, zum „Amokfahrer“. Dabei gefährdet er nicht nur seine Familie, sondern verschuldet auch mehrere Verkehrsunfälle – darunter einen mit Todesfolge. Ebenso aggressiv wie streitlustig, seine Familie fortwährend tyrannisierend, wird Gruber durchweg negativ dargestellt – ganz anders als ein halbes Jahr später Kegel in Flüssige Waffe. Die Botschaft ist klar: Fahren unter Alkoholeinfluss ist nicht zu entschuldigen, Mitleid für die Täter gibt es nicht. Dies ist auch der Tenor der direkt im Anschluss an die Ausstrahlung gesendeten Gesprächsrunde zum Thema „Alkohol am Steuer“ mit Autor, Regisseur und Hauptdarsteller von Amoklauf sowie einer Fachärztin, einem Kriminalisten und einem Verkehrspolizisten. Die Neue Zeit gibt die im Gespräch genannten Zahlen wieder: Jeder zehnte Unfall geschehe unter Alkoholeinfluss, ca. 30.000 Fahrer hätten wegen alkoholisierten Fahrens im Jahr 1987 ihren Führerschein abgeben müssen.[53] Allein der „Teufel Alkohol“ habe infolge von unter Alkoholeinfluss verursachten Verkehrsunfällen 259 Tote verschuldet. „Der vorgeführte Fall“, heißt es mahnend, „ist also kein Extremfall!“ Auch im Neuen Deutschland werden die Zahlen mit dem Hinweis aufgegriffen, dass Alkohol am Steuer „[e]in brisantes Thema“ sei.[54] Nur ein Jahr später wird es in einer Folge der Serie Der Staatsanwalt hat das Wort erneut thematisiert.[55] Das Neue Deutschland lobt in diesem Zusammenhang, dass es „[a]ngesichts der wachsenden Zahl von Unfalltoten […] begrüßenswert [sei], daß auch oder gerade mit den Mitteln der Fernsehdramatik immer wieder gegen Alkohol am Steuer gekämpft“ werde.[56] Doch weder diese medialen Erziehungsversuche noch das strafgesetzlich festgehaltene Verbot von Alkohol am Steuer, verkehrspolizeiliche Kontrollen und drastische Strafen können das Problem lösen.[57]

 

… sowie im Fokus der Wissenschaft

Es verwundert daher nicht, dass verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen immer wieder das Problem der Kriminalität unter Alkoholeinfluss untersuchen. Seit dem Ende der 1960er Jahre übernahmen nach den gescheiterten politischen Umerziehungs- und Missionierungsversuchen mehr und mehr die Rechtswissenschaften die Deutungshoheit über diesen Bereich. Sie legten dabei den Schwerpunkt vor allem auf den Alkoholmissbrauch sowie daraus resultierende Straftaten.[58] Eine Folge dessen waren die neu erlassenen beziehungsweise verschärften älteren Verordnungen und Gesetze, die alkoholbedingte Straftaten und Unfälle verhindern sollten: Personen, die in der Öffentlichkeit betrunken sind, mussten fortan mit teils empfindlichen Geldstrafen rechnen. Wirte und Verkäufer in Spirituosengeschäften und Kaufhallen durften Alkohol weder an Betrunkene ausschenken noch verkaufen. Für alkoholbedingte Unfälle am Arbeitsplatz übernahm der Betroffene selbst die Kosten.[59] Außerdem wirkte sich der Alkoholeinfluss bei Straftaten nicht mehr mildernd, sondern gegebenenfalls sogar verschärfend auf das Strafmaß aus.[60] Daraus ergibt sich wohl auch die Länge der Haftstrafe, die Kegel im Polizeiruf für seine unter Alkoholrausch erfolgte Beihilfe zu den Einbrüchen erhält. Auch Hermann Gruber wird dementsprechend nicht wegen Trunkenheit am Steuer, sondern wegen der verursachten Personen- und Sachschäden verurteilt.

Neben den Rechtswissenschaften widmete sich seit den 1970er Jahren auch die Medizin den Themen Alkoholismus und Kriminalität.[61] Diesen Fokus spiegelt der 1979 erschienene Sammelband Der Alkoholiker. Alkoholmißbrauch und Alkoholkriminalität wider, in dem die Aufsätze von Jähnig, Lekschas und anderen Experten wie etwa den Medizinern Hugo von Keyserlingk und Erik Winter veröffentlicht wurden. Im Geleitwort erklärt Hans Szewczyk, Professor für Psychiatrie an der Berliner Charité, mit der vorliegenden Ausgabe der Reihe Medizinisch-juristische Grenzfragen unter besonderer Berücksichtigung der Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie solle ein neues Profil etabliert werden: Pro Band werde jeweils ein praxisorientierter Forschungsschwerpunkt aus der Perspektive der verschiedenen Disziplinen Rechtswissenschaften, Kriminologie, Psychiatrie und Psychologie beleuchtet. Dass der erste Band mit dieser Gliederung und der ausdrücklichen Orientierung an „gesellschaftlichen Notwendigkeiten“[62] den Themen Alkoholmissbrauch und -kriminalität gewidmet ist, erlaubt Rückschlüsse auf die Brisanz der Thematik.

Ende der 1980er Jahre hat die medizinische Alkoholforschung noch immer insbesondere die extremen Ausprägungen des Alkoholkonsums und nicht beispielsweise das allgemeine gesellschaftliche Trinkverhalten im Blick. Während es ein Jahr zuvor bei der ersten Tagung der Arbeitsgemeinschaft Suchtkrankheiten der Sektion Psychiatrie der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR um das Thema Diagnostik und Therapie Suchtkranker ging,[63] stehen 1988 nun Behandlungsstrategien bei Alkoholmißbrauch und Alkoholabhängigkeit auf dem Programm. Anlass für die Tagung ist, so Hugo von Keyserlingk in seinem Vorwort zum Tagungsband, die „im Entwurf vorliegende ‚Richtlinie über Aufgaben des Gesundheits- und Sozialwesens zur Verhütung und Bekämpfung der Alkoholkrankheit‘“[64] des Ministeriums für Gesundheitswesen in der DDR. Die hier erwähnte Richtlinie tritt am 1. Juli 1989 in Kraft und stellt Maßnahmen zur Verbesserung der medizinischen und sozialen Betreuung von Alkoholkranken in Aussicht.[65] Es handelt sich dabei um die erste zentrale, praktisch orientierte, politische Maßnahme, die konkrete Anweisungen zum Ausbau eines DDR-weiten Behandlungsnetzes zur Bekämpfung des Alkoholismus in der Gesellschaft enthält, und stellt insofern einen Schritt aus der politischen Tabuisierung des Problemfeldes Alkoholabhängigkeit dar.[66] Zwar wurde die Veröffentlichung wissenschaftlicher Aufsätze zu diesem Thema ebenso wie die mediale Kommentierung immer wieder ermöglicht. Allerdings wurde solchen Fällen gerade in populären Medien häufig ein gewisser Ausnahmecharakter bescheinigt. Von einer selbstkritischen Reflexion über strukturelle Missstände in der eigenen Gesellschaft war eine solche Praxis weit entfernt. So fand sich hinter jedem „Geständnis“ wie beispielsweise dem, dass es zunehmend viele Fälle von Alkoholfolgekrankheiten gebe, eine relativierende Bemerkung: Ein solcher Anstieg sei weniger DDR-spezifisch, sondern ein weltweites Phänomen.[67]

Stattdessen wurde der Blick auf die westlichen Staaten, besonders auf die Bundesrepublik, gelenkt, wo – so auch noch 1988 der dominierende Tenor – gesellschaftliche Probleme unverkennbare Ursachen für Alkohol- und Drogenabhängigkeit seien.[68] Die Argumentation, Alkoholmissbrauch sei ein „kapitalistisches“ Phänomen, das mit dem „Aufbau des Sozialismus“ zunehmend verschwinden würde, wurde mit fortschreitender Zeit jedoch immer unglaubwürdiger. Deswegen setzt die politische Führung zum Ende der 1980er Jahre vermehrt auf eine Strategie des Abwiegelns: Rechtfertigungsstrategien korrespondieren mit unmittelbar relativierten „Eingeständnissen“. Dass sie dadurch selbst zu einer Politisierung des Alkoholthemas beiträgt, bleibt von ihr ebenso unberücksichtigt wie die Folgen der Tabuisierung, bieten doch die in diesem Kontext auftretenden offensichtlichen Widersprüche zwischen Anspruch und Realität reichlich Anlass zur Systemkritik.[69]

Zwar zeichnet sich die Richtlinie von 1989 in ihren Konturen bereits im Jahr 1988 ab, aber praktische, staatlich gelenkte Maßnahmen, die das Problem der Alkoholabhängigkeit in Form zentraler gesundheitspolitische Anweisungen effektiv angehen, sucht man in diesem Jahr vergeblich. Die medizinischen Abteilungen zur Behandlung Alkoholkranker und die den Entzug begleitenden Betreuungsangebote in der DDR wurden stattdessen auf Initiative von Ärzten, gesellschaftlichen und kirchlichen Institutionen sowie von Behörden auf kommunaler, Kreis- und Bezirksebene hin eingerichtet.[70] Das Gleiche gilt wohl auch für die Klinik, in der Kegel seinen ersten Entzug absolvierte und in die er sich am Schluss von Flüssige Waffe zu einem zweiten Versuch begibt. Ob es ihm gelingen wird, seine Alkoholabhängigkeit erneut zu besiegen – darüber kann, wer am Abend des 18. Dezembers 1988 in der DDR den Fernsehfilm Flüssige Waffe anschaut, nur spekulieren. Was den Heilungserfolg angeht, bleibt Alkoholismus ein „individuelles Phänomen“.

 

[1]     „Polizeiruf 110: Flüssige Waffe“, DDR 1, Erstausstrahlung am 18. Dezember 1988, Regie und Buch: Helmut Krätzig. Als Hauptdarsteller sind unter anderen Ulrich Mühe, Jenny Gröllmann und Henry Hübchen zu sehen.
[2]     Ebd.
[3]     „Kritiker vergaben Preise an Film- und Fernsehschaffende“, in: Neues Deutschland, Nr. 76, vom 31. März 1989, S. 4.
[4]     Peter Hoff, Polizeiruf 110. Filme, Fälle, Fakten. Berlin 2001, S. 132.
[5]     Die hier zitierten Zeitungsartikel stellen nur eine Auswahl an Beiträgen zu „Flüssige Waffe“ dar.
[6]     Angelika Rätzke, „Ob Spaß oder Ernst alles vom Feinsten. ‚Showkolade‘ und ‚Polizeiruf 110‘“, in: Berliner Zeitung, Nr. 300, vom 20. Dezember 1988, S. 7.
[7]     Ralph Kotsch/Volker Müller, „Abendunterhaltung mit Niveau. Neuer Film der ‚Polizeiruf‘-Serie/‚Showkolade‘ aus dem Volkstheater Rostock“, in: Neues Deutschland, Nr. 300, vom 20. Dezember 1988, S. 6; die Besprechung zu „Flüssige Waffe“ hat Ralph Kotsch verfasst.
[8]     Klaus M. Fiedler, „Immer mal wieder neue Kommissare. Zur Sendereihe ‚Polizeiruf 110‘“, in: Neue Zeit, Nr. 300, vom 20. Dezember 1988, S. 5.
[9]     Rätzke, Ob Spaß oder Ernst (wie Anm. 6), S. 7.
[10]    Kotsch/Müller, Zweimal Abendunterhaltung (wie Anm. 7), S. 6; Jenny Gröllmann ist in der Rolle von Kegels Freundin Marlies zu sehen.
[11]    Rätzke, Ob Spaß oder Ernst (wie Anm. 6), S. 7.
[12]    Ebd.
[13]    Fiedler, Immer mal wieder neue Kommissare (wie Anm. 8), S. 5.
[14]    Ebd.
[15]    Ehrentraud Novotny (im Gespräch mit Ulrich Mühe), „Gegenwart in so direkter Form. Ulrich Mühe in einem neuen Polizeiruf“, in: Berliner Zeitung, Nr. 292, vom 10. Dezember 1988, S. 10.
[16]    „Polizeiruf 110: Der Teufel hat den Schnaps gemacht“, DDR 1, Erstausstrahlung am 18. Januar 1981, Regie und Buch: Manfred Mosblech; „Polizeiruf 110: Unheil aus der Flasche“, DDR 1, Erstausstrahlung am 3. Mai 1987, Regie und Buch: Helmut Krätzig.
[17]    Ein frühes Beispiel ist die DEFA-Dokumentation „Abhängig. Werftarbeiter Kunstmann“, DEFA, 1983, Regie und Buch: Eduard Schreiber; aus dem Bereich der Literatur Erik Winter/Ilona Stoiber/Hasso Engel, Schicksal Abhängigkeit? Ausweg aus Problemen mit sich und dem Alkohol (Psychologie populär, Bd. 3). Berlin 1987.
[18]    Reinhardt O. Hahn, Das letzte erste Glas. Ein Bericht. Halle u.a. 1986; Ingrid Johannis, Das siebente Brennesselhemd. Aus dem Tagebuch einer Alkoholkranken. Berlin 1986; Ingerose Paust, Das verlorene Spiel mit der Flasche. Roman. Berlin 1986; Hildegard Maria Rauchfuss, Schlussstrich. Roman. Halle u.a. 1986.
[19]    Andreas Dudeck (unter Mitarbeit von Armin Bernhard), Alkoholkrank. Was nun? Was tun? Leipzig 1986.
[20]    Ebd., S. 11–15, S. 19f., S. 24–26, S. 53–55.
[21]    Ebd, S. 29–42.
[22]    Ebd, S. 3.
[23]    Aimé Duval, Warum war die Nacht so lang. Wie ich vom Alkohol loskam. Leipzig 1988, S. 38: „‚Vielleicht trinke ich etwas zuviel, aber ich trinke, weil mir meine Kollegen die kalte Schulter zeigen‘, dabei zeigten sie mir die kalte Schulter, weil ich zu viel trank. ‚Ich trinke vielleicht etwas zuviel, aber ich trinke wegen der Konzerte, die mich auslaugen‘, dabei erschöpften mich meine Konzerte, weil ich vom Alkohol geschwächt war.“
[24]    Siegfried Fritsche, „Ärztlicher Ratgeber. Was ist Alkoholmißbrauch? Trinken kann sehr schnell zu einem Bedürfnis werden?“, in: Berliner Zeitung, Nr. 250, vom 22. Oktober 1988, S. 11.
[25]    Ebd.
[26]    Heide-Ulrike Jähnig, „Alkoholmißbrauch und Alkoholabhängigkeit“, in: Hans Szewczyk (Hg.), Der Alkoholiker. Alkoholmißbrauch und Alkoholkriminalität (Medizinisch-juristische Grenzfragen unter besonderer Berücksichtigung der Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie, Bd. 14). Jena 1979, S. 33–41, hier S. 39f. Inzwischen gibt es WHO-Richtlinien, die angeben, ab welchen Reinalkoholmengen pro Tag (bei täglichem Konsum) für Männer und Frauen ein Gesundheitsrisiko besteht, siehe dazu Erika Sieber u.a., „Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit in der DDR und in den neuen Bundesländern“, in: Sozial- und Präventivmedizin, Jg. 43 (1998), S. 90–99, hier S. 90.
[27]    Jähnig, Alkoholmißbrauch (wie. Anm. 26), S. 33.
[28]    Erich Schüler, Probleme der Determination und Vorbeugung von Alkoholmissbrauch und damit im Zusammenhang stehender Kriminalität in der DDR (Aktuelle Beiträge der Staats- und Rechtswissenschaft, Bd. 49). Potsdam-Babelsberg 1969, S. 14f.
[29]    Jähnig, Alkoholmißbrauch (wie Anm. 26), S. 34.
[30]    Hier und im Folgenden John Lekschas, „Persönlichkeit, Gesellschaft und Alkohol“, in: Szewczyk, Der Alkoholiker (wie Anm. 26), S. 15–23, hier S. 17.
[31]    Ebd.
[32]    Schüler, Probleme der Determination (wie Anm. 28), S. 14f.
[33]    Thomas Kochan, Blauer Würger. So trank die DDR. Berlin 2011, S. 292 und 185–193. Kochan verweist auch auf die weiter bestehende Relevanz der Definition Schülers, siehe S. 393, Anm. 211. Aufgegriffen wird Schülers Definition beispielsweise von Gundula Barsch, Von Herrengedeck und Kumpeltod. Die Drogengeschichte der DDR. Bd. 1: Alkohol – Geist aus der Flasche. Geesthacht 2009, S. 169.
[34]    Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 365 nennt die Beispiele Friedrich Herber, Alkohol. Prozente – Promille – Probleme. Berlin 1971 und Milan Vámoši, „Vom Alkohol gefangen“, in: Deine Gesundheit (1965), S. 326–327, dort S. 346.
[35]    Winter/Stoiber/Engel, Schicksal Abhängigkeit? (wie Anm. 17); Fritsche, Was ist Alkoholmißbrauch? (wie Anm. 24), S. 11; Sieglinde Wolff, „Diagnose: alkoholkrank. Über Brauch, Gebrauch, Missbrauch, Sucht“, in: Wochenpost, Nr. 38 (1989), S. 16f.
[36]    Im weiteren Verlauf wird noch näher auf das alkoholpolitische Vorgehen der DDR-Führung eingegangen. Fest steht, dass diese Tabuisierung sicherlich nicht aus Unwissenheit über das Ausmaß des Alkoholmissbrauches und der Alkoholabhängigkeit geschehen ist: Auf Grundlage von anonymisierten Codierstreifen auf Patientenakten wurden in der DDR ab 1970 nach Krankheitsklassifizierung aufgelistete Statistiken vom Institut für Medizinische Statistik und Datenverarbeitung einem kleinen Kreis zur Verfügung gestellt, siehe dazu Sieber u.a., Alkoholmissbrauch (wie. Anm. 26), S. 93.
[37]    Hier und im Folgenden Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 362–364.
[38]    Dieter Dose, „Ob Haupt- oder Marx-Straße, das Karussell dreht sich“, in: Die Welt, vom 6. Mai 1988, S. 3.
[39]    Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 363f.; Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 153.
[40]    Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 360.
[41]    Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (Hg.), Statistisches Jahrbuch 1989 der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 1989, S. 292; Dies. (Hg.), Statistisches Jahrbuch 1990 der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. S. 323.
[42]    Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 74.
[43]    Staatliche Zentralverwaltung für Statistik, Statistisches Jahrbuch 1990 (wie Anm. 41), S. 323; Gundula Barsch führt ebenfalls den Wert 11 Liter an, doch ergeben ihre eigenen Berechnungen einen Wert von 13,8 Liter Reinalkohol pro Kopf für das Jahr 1988. Sie führt dies auf die Ansetzung zu geringer Werte in Bezug auf den Reinalkohol einzelner „Alkoholtypen“ (Wein/Sekt, Schnaps, Bier) zurück. Durchschnittlich seien die in der DDR konsumierten Getränke hochprozentiger gewesen als international für die einzelnen Typen veranschlagt. Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 129f. Auch Kochan weist auf diesen Aspekt hin: Ebd. S. 381, Anm. 70, S. 382, Anm. 86. Wenn auch die Exaktheit der folgenden Zahlen heute durchaus infrage zu stellen ist, so entsprechen die durch sie angezeigten Trends dennoch der Realität. Vgl. Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 130.
[44]    Hier und im Folgenden Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 77, 79 und 85.
[45]    Ebd., S. 148.
[46]    Ebd., S. 13.
[47]    Ebd., S. 121.
[48]    „Alkoholkonsum in der DDR nimmt zu. Gesundheitsbehörde fordert ‚Kontrolle des Trinkens‘“, in: Süddeutsche Zeitung, vom 22. September 1988, S. 56; Dose, Ob Haupt- oder Marx-Straße (wie Anm. 38), S. 3.
[49]    Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 73, 139–142; Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 135, Sieber u.a., Alkoholmissbrauch (wie. Anm. 26), S. 90.
[50]    Hier und im Folgenden Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 107f.
[51]    Siehe dazu beispielsweise die folgenden Artikel: Peter Böttcher, „Was man bei uns nie und nimmer lernen kann. Anmerkungen zum Prozeß gegen fünf Grabschänder“, in: Berliner Zeitung, Nr. 159, vom 7. Juli 1988, S. 3; Heike Halle, „Liebeskummer, Alkohol und der Raub am Nachttresor. Verkäuferin Tasche mit den Tageseinnahmen entrissen“, in: Berliner Zeitung, Nr. 19, vom 23. Januar 1988, S. 8; Helge Hinrichs, „Unglaublich dreist auf der Stelle gefaßt. Straßenräuber entpuppte sich als Rückfalltäter“, in: Neue Zeit, Nr. 28, vom 3. Februar 1988, S. 8; Ders., „Alkohol tut ihm gar nicht wohl. Ein Leben zwischen Rausch und Gefängnis?“, in: Neue Zeit, Nr. 211, vom 6. September 1988, S. 8; Ders., „Dieb hinterließ seine vollständige Adresse. Sehr merkwürdige Entwicklung eines jungen Mannes“, in Neue Zeit, Nr. 247, vom 19. Oktober 1988, S. 8; Heide Schiebeck, „Kein Ziel, keine Freunde und schließlich Alkohol. Angeklagter tötete seine Mutter und einen Nachbarn“, in: Berliner Zeitung, Nr. 182, vom 3. August 1988, S. 8. Dass es sich bei alkoholbedingten Straftaten keineswegs um Einzelfälle handelt, zeigt Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 155.
[52]    „Polizeiruf 110: Amoklauf“, DDR 1, Erstausstrahlung am 26. Juni 1988, Regie: Wolfgang Hübner, Buch: Eberhard Görner. Insgesamt zur Ausdifferenzierung der Figuren im Polizeiruf in den 1980er Jahren Hoff, Polizeiruf 110 (wie Anm. 4), ab S. 156.
[53]    Mimosa Kunzel, „Betrunken am Lenkrad eine Frage des Charakters?“, in: Neue Zeit, Nr. 153, vom 30. Juni 1988, S. 4. Dort auch das nächstfolgende Zitat.
[54]    Ralph Kotsch, „Eine Schreckensfahrt mit bösem Geist am Steuer“, in: Neues Deutschland, Nr. 151, vom 28. Juni 1988, S. 4.
[55]    „Der Staatsanwalt hat das Wort: Geisterfahrer“, DDR-FS, Erstausstrahlung am 16. Juli 1989, Regie: Hubert Kreuz, Buch: Ingeborg Nössig.
[56]    Ralph Kotsch, „Geisterfahrt mit sehr realen Konsequenzen. Film der Staatsanwalt-Reihe“, in: Neues Deutschland, Nr. 168, vom 19. Juli 1989, S. 4.
[57]    Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 157f.
[58]    Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 185–187.
[59]    Ebd., S. 187–191; siehe darüber hinaus die Auflistung der gesetzlichen Regelungen bei Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 214–220.
[60]    Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 190f.
[61]    Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 172f.
[62]    Hans Szewczyk, „Geleitwort“, in: Ders. (Hg.), Der Alkoholiker (wie Anm. 26), S. 5f., hier S. 6.
[63]    Hugo von Keyserlingk (Hg.), Diagnostik und Therapie Suchtkranker. Ergebnisse der 1. Arbeitstagung der Arbeitsgruppe „Suchtkrankheiten“ der Sektion Psychiatrie der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR, Wustrow 27.–30. Oktober 1987. Berlin 1988.
[64]    Hugo von Keyserlingk, „Vorwort“, in: Ders. u.a. (Hg.), Behandlungsstrategien bei Alkoholmißbrauch und Alkoholabhängigkeit. Ergebnisse der 2. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Suchtkrankheiten der Sektion Psychiatrie der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR, Wustrow 3.–6. Oktober 1988. Berlin 1990, S. 7.
[65]    Barsch, Herrengedeck (wie Anm. 33), S. 192.
[66]    Ebd., S. 177. Zuvor gab es zwar auch politische Maßnahmen und Pläne, allerdings lediglich auf Bezirks- oder Kreisebene. Siehe dazu Sieber u.a., Alkoholmissbrauch (wie. Anm. 26), S. 92.
[67]    Ein gutes Beispiel ist „Alkohol – Risiken, Schäden, Kosten“, in: Was und Wie. Informationen, Argumente, Übersichten für den Agitator (1988), S. 17–20.
[68]    Axel Knack, „Kreuzberger Tage – Streifzüge durch einen Stadtteil, Die Schickeria sitzt am Stammtisch“, in: Berliner Zeitung, vom 22. November 1988, S. 4; Wolfgang Much, „Im vergangenen Jahr über 450 Drogentote in der BRD“, in: Neues Deutschland, Nr. 22, vom 27. Januar 1988, S. 1.
[69]    Hier und im Folgenden Kochan, Blauer Würger (wie Anm. 33), S. 308f.
[70]    Ebd., S. 315 und 322–324.

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Vom „Teufel Alkohol“ in der DDR

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