Annette Schuhmann

Your past is my present

Eine Frage am Ende des Jahres 2024

Am Ende dieses Jahres haben wir die Mitglieder der Redaktion von zeitgeschichte|online gebeten, uns ihre Gedanken zu der Frage zu schreiben:

Welche gesellschaftliche Entwicklung bereitet Euch im Hinblick auf die Zukunft die größten Sorgen – und wo seht Ihr vielleicht dennoch Anlass zur Hoffnung?

Caroline Rothauge

‚Zeitenwende‘ bzw. Zeiten und Wende: Einige Überlegungen für eine differenziertere Sicht

‚Zeitenwende‘ bzw. Zeiten und Wende – was soll das heißen? Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Es gibt eine Zeit und die verändert sich grundlegend. Dabei legt der Begriff der Wende eine Kehre nahe. Basierend auf dem im Westen dominierenden Verständnis von Zeit als einer objektiven Gegebenheit mit linearem Verlauf impliziert die Rede von ‚Zeitenwende‘ somit einen fundamentalen Richtungswechsel in der Zeit, in der wir leben.

Clara M. Frysztacka

Jahrhundertwende 1900, Revolution 1905, Zeitenwende 2022, Nie-wieder-ist-jetzt 2023: Ist die Zeit wirklich aus den Fugen geraten?

Der Begriff „Zeitenwende“, den Olaf Scholz mit seiner Rede am 27. Februar 2022 so prominent auf die Agenda der Ampel-Regierung setzte, trifft den Zeitgeist unserer Gegenwart. Unzählige Presseartikel und wissenschaftliche Abhandlungen der letzten zwei Jahre tragen ihn im Titel. Sie zeugen von dem Potenzial dieser Wortkombination zum Assoziieren oder zur Deutung − unabhängig davon, ob die Autor*innen feststellen, dass eine Zeitenwende stattfand, ihr Fehlen bedauern oder ihre Notwendigkeit unterstreichen. Doch: Was bedeutet ‚Zeitenwende‘ überhaupt?

Lea Frese-Renner

Als das Internet Archive offline ging

Am 10. Oktober 2024 ging mein wichtigstes Archiv offline und schloss damit seine Türen für Benutzer*innen. Das mag erst einmal nicht so ungewöhnlich klingen. Alle Archive haben Öffnungszeiten und hatten in der Pandemie über Wochen und Monate geschlossen. Nicht so mein Archiv: das Internet Archive. Während alle anderen Historiker*innen klagten, konnte ich ohne Einschränkungen forschen. Man könnte sagen, ich war verwöhnt. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Luisa Jabs

Tanz mit dem Teufel

Atom Egoyans „Seven Veils“ bringt die Oper Salomé auf die Leinwand

Trigger-Warnung: Sexuelle Übergriffe, sexueller Missbrauch, posttraumatische Belastung, Gewalt an Kindern

 

Die Tänzerin ist nur ein schwarzer Schatten auf einem weißen Tuch, das über die ganze Bühne gespannt ist. Ihre Silhouette dreht sich, springt, fällt auf den Boden, richtet sich wieder auf. Sie tanzt und tanzt, bis plötzlich übergroße schwarze Gestalten auftauchen. Bedrohlich stehen sie da und rennen bald schon auf sie zu, greifen nach ihr, während sich die Tänzerin zu entwinden sucht.

Nikolai Okunew

„Das Deutsche Kettensägenmassaker“

Als Christoph Schlingensief 1990 mit dem Schinken nach der Wurst warf

„Sie kamen als Freunde und wurden zu Wurst“ lautet der lakonische Werbespruch für Schlingensiefs Schocker von 1990. „Das Deutsche Kettensägenmassaker hat dann auch einen recht knappen Plot: Die Leipzigerin Clara fällt im Wiedervereinigungstaumel einer Gruppe westdeutscher Kannibalen in die axtschwingenden Hände, die offensichtlich schon seit dem Mauerfall nach Zonis greifen (oder hacken). „Jetzt beginnt der Markt“ lässt Schlingensief einen der Halsabschneider sagen.

Annette Schuhmann, Rebecca Wegmann

Filme, Fakten und Fiktionen

Politisierungen auf der Leinwand?

Zum fünften und gleichzeitig zum letzten Mal fanden die Internationalen Filmfestspiele Berlin 2024 unter der Leitung von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek statt. Ab 2025 wird die US-Amerikanerin Tricia Tuttle die Berlinale leiten.

Jutta Braun

Im Lauf durch die Epochen

Aktuelle Fragen und Methoden der Zeitgeschichte des Sports

Die Kurve des öffentlichen Interesses an Sportgeschichte zeigt seit Jahren steil nach oben. Zeithistoriker*innen und Vertreter*innen anderer Fachrichtungen entdecken zunehmend das Potential der Erforschung dieses Gesellschaftsbereichs zum Verständnis des politischen und gesellschaftlichen Wandels moderner Gemeinwesen. Zudem ist dem Sport wie kaum einem anderen Feld per se eine transnationale und geschlechterbezogene Perspektive eingeschrieben.

Jutta Braun

Ritt durch die olympischen Epochen

In kein Kulturereignis haben sich die heißen und Kalten Kriege, aber auch das Ringen um Emanzipation so eingeschrieben wie in die Olympischen Spiele. Paris 2024 gelingt ein symbolischer Neuanfang.

Martin Krauss

Die Farbe des Wassers

Diskriminierung im Schwimmsport

Dieser Gedanke scheint nicht originell zu sein: dass nämlich die Sportgeschichte eine Geschichte von Sieger*innen und Gewinner*innen ist. Was sonst sollte sie sein, schließlich implizieren Begriffe wie Weltrekord, Olympiasieg oder Weltmeistertitel ja stets, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der die beste Leistung erbracht hat, die es je gab.