Macht zeigen - Kunst als Herrschaftsstrategie

Seit Februar dieses Jahres ist im leichtfüßig anmutenden Prestigeobjekt des Deutschen Historischen Museums in Berlin, dem Pei-Bau, die Ausstellung „Macht zeigen – Kunst als Herrschaftsstrategie“ zu sehen. Damit trägt das DHM einer Entwicklung innerhalb der Poli­tikwissenschaften Rechnung, die in den 1990er Jahren Kunst als Medium der Politik entdeckt hat.[1]

Vermutlich hätte der Titel auch „Mit dem Rücken zur Kunst – Die neuen Staatsymbole der Macht“ lauten können. Unter dieser Überschrift hat der Karlsruher Kunsthistoriker und ehe­malige Unternehmensberater Wolfgang Ullrich, seines Zeichens Kurator der Ausstellung, seine Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Moderner Kunst und Macht im Jahr 2001 veröffentlicht.[2]

Gemeinsam vertreten Buch und Ausstellung die zentrale These, moderne Kunst habe seit einigen Jahrzehnten eine verstärkte Entwicklung zum Statussymbol erlebt. Die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft inszenierten sich als Mäzene medienwirksam mit Gemälden und Skulpturen in der Öffentlichkeit. Ullrich ergänzt diese These in der Ausstellung um eine nationale Facette: Der deutsche Sonderweg als Wegbereiter des Nationalsozialismus hätte die bisherigen Repräsentationsformen so stark kompromittiert, dass die Eliten auf andere Formen der Selbstdarstellung zurückgreifen mussten und sich in diesem Zusammenhang stärker auf die Ausdrucksformen bildender Kunst konzentrierten. Aus diesem Grund habe die Bildende Kunst ihre Außenseiterposition mit einem Platz in der Mitte der Gesellschaft eingetauscht.[3]

Erfuhr Ullrichs Buch zum Teil wohlwollende Kritiken in den deutschen Feuilletons - die taz bezeichnete das 85seitige Buch gar als Fortsetzung von Bourdieus Standardwerk „Die feinen Unterschiede[4] und der FAZ-Autor Niklas Maak zählt das „brillante“ Werk heute zu den „neueren Klassikern der politischen Ikonographie[5] - fallen die Bewertungen der Ausstellung dagegen verhalten sachlich bis kritisch desaströs aus.[6]

Jens Bisky von der Süddeutschen Zeitung nennt die aus seiner Sicht grundlegenden Probleme

der Ausstellung:[7] Sie zeige zu viel aber hinterfrage zu wenig, unterscheide nicht trennscharf genug zwischen Status und Macht, was sich bereits im Titel zeige. Bisky wirft die Frage auf, ob Kunst tatsächlich Herrschaftsstrategie oder nur eines von vielen Instrumenten der Herr­schaft sei. Folge man der These konsequent, so Bisky, stünde man vor dem Dilemma ent­scheiden zu müssen, wer denn eigentlich der Urheber dieser Strategie sei: Die Politiker und Unternehmer, die Künstler, die Medien oder etwa die Kuratoren? Das eigentliche Problem sei jedoch die fehlende Kontextualisierung der Kunst mit anderen Formen der Präsentation, Repräsentation und Ausübung von Macht. Dazu kommt der Eindruck, die Ausstellung vermische zu viel miteinander: Die spärliche Abhandlung der NS-Zeit führe weder zum Ver­ständnis der Vergangenheit noch der Gegenwart. Losgelöst wirke das Kapitel über Architektur, das den Umbau der Neuen Wache und die künstlerische Umgestaltung des Kanzleramts zeigt.[8]

Weitaus deutlichere Worte findet Hans-Jürgen Hafner, der „Macht zeigen“ für das Magazin artnet rezensierte[9]: Das „technische, mediale, historische, kategoriale und – letztendlich methodische – Durcheinander“, zeige die grundlegenden offensichtlichen Mängel in Konzept und Prämisse.[10] Auch er moniert, ebenso wie Bisky, den passiven Charakter der gezeigten Kunst als Projektionsfläche, ohne dass sie dem Untertitel gemäß, eine aktive Funktion besäße. Er bezeichnet ihn sogar als „perfide“, weil die Relation zwischen Kunst und Macht nicht im Kontext von Verfügung und Vermittlung analysiert werde, sondern der Eindruck entstünde, Kunst sei exklusives, elitäres Herrschaftswissen. Aber auch der erste Teil des Titels scheint Hafner nicht recht gelungen, denn Kunst sei im Gegensatz zu Bildern nur spärlich in der „Schau“ vertreten. Ein weitaus größeres Problem ist für Hafner die weder in der Ausstellung noch im Katalog beantwortete Frage, welche Art von Kunst es letztendlich sei, die sich zur herrschaftlichen Repräsentation eigne. Weiterhin stört sich Hafner an dem Begriff „zeitgenössische Kunst“, nicht das Entstehungsdatum eines Werkes, sondern die Reflexion des Zeitgeistes sei entscheidend. So sind für ihn die Arbeiten Baselitz und Lüpertz genauso reaktionär wie der „Habitus“ ihrer Gönner. Generell habe Kunst nicht den Einfluss, den die Ausstellung suggeriere. Ganz im Gegenteil, sei sie nicht identisch mit den heutigen repräsen­tativen politischen Praktiken. Sie habe vielmehr in ihrer Geschichte bewiesen, die Herr­schaftsstrategien ihrer Auftraggeber entschlüsseln zu können. Kunst sei also im besten Fall „resistent“ gegen die Vereinnahmung durch die Macht. Die Ausstellung ließe aber die Chance, die Machtinszenierungen und deren Mechanismen und deren möglich Demontage aus dem Blickwinkel der Künstler zu zeigen, ungenutzt.

Mit Hafners angeführten Punkten hat sich die Kritik jedoch noch nicht erschöpft. Auf weitere Ungereimtheiten machen die Beiträge Kito Nedos für das art-magazin[11] und Arno Widmanns für die Frankfurter Rundschau[12] aufmerksam. So fehle Nedo eine Beweisführung für Ullrichs postulierte These eines „deutschen Sonderwegs“ im Verhältnis zwischen Kunst und Politik. Auch die These von Kunst als Herrschaftsstrategie will ihm nicht recht einleuchten. Kunst werde weder besser, noch machtvoller im unmittelbaren Umfeld der Entscheidungsträger. Sie sei lediglich Staffage. Die Funktion, die Ullrich der Kunst zuschreibe, finde sich in der deutschen Vergangenheit schließlich in der Epoche des Nationalsozialismus - in Anlehnung an Walter Benjamin spricht er von der damaligen Ästhetisierung der Politik.[13]

Für Widmann trenne die Ausstellung naiv und falsch Kunst und Politik, das Kreative und die Bürokratie. Das oberflächliche Präsentationskonzept der Ausstellung schreibt er einem aktu­ellen gesellschaftlichen Trend zu. Alles müsse aufs persönliche reduziert werden, deswegen werden im Pei-Bau nicht die Macht, sondern die Mächtigen gezeigt.[14]

Trotz oder gerade wegen dieser Mängel empfiehlt sich die Lektüre des Buchs „Mit dem Rücken zur Kunst“ und des Ausstellungskatalogs.

 

Begleitende Veranstaltungen:

5. Mai 2010 Anzeigen der Ohnmacht von Macht: Mantia als Furie Prof. Dr. Bazon Brock, Kunstvermittler, emeritierter Professor, an der Bergischen Universität Gesamthochschule Wuppertal

19. Mai 2010 Feudale Verhältnisse. Gerhard Richter und Werner Tübke als Hofmaler des Politbüros Dr. Eckhart Gillen, Kunsthistoriker und Kurator, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Kultur-Projekte Berlin

2. Juni 2010 Der diskrete Charme der Macht und die Politik der Indiskretionen. Vom Zeigen und vom Entblößtwerden Prof. Dr. Herfried Münkler, Politikwissenschaftler und Sozialphilosoph, Professor, Humboldt Universität Berlin

 


[1] Mühleisen, Hans-Otto: Kunst und Macht im Politischen Prozess. Prolegomena einer Theorie Politischer Bildlichkeit, in: Hoffmann, Wilhelm, Mühleisen, Hans-Otto (Hrsg.): Kunst und Macht. Politik und Herrschaft im Medium der bildenden Kunst, Münster 2005, S. 1-18, S. 2.

[2] Ullrich, Wolfgang: Mit dem Rücken zur Kunst. Die neuen Staatsymbole der Macht, Berlin 2001.

[3] Ausstellungstext Macht zeigen: Einleitung; Ullrich, Wolfgang: Mit dem Rücken zur Kunst, S. 10f.

[4] Siehe dazu: Taz vom 19.12.2000.

[5] F.A.Z vom 23. Februar 2010: Maak, Niklas: Ausstellung: „Macht zeigen“ Kunst verstärkt den Charakter.

[6] Siehe dazu Pressespiegel zur Ausstellung.

[7] Bisky, Jens: Kunst und Politik Machtmenschen als Kunstfreunde, in: Süddeutsche Zeitung. vom 22.02.2010, online unter: <http://www.sueddeutsche.de/politik/705/503923/text/>.

[8] Ebd.

[9] Hafner, Hans-Jürgen: Macht zeigen – Kunst als Herrschaftsstrategie“ im Deutschen Historischen Museum, Berlin. Krawatten in Öl und Bronze, in: artnet.de vom 17.03.2010, online unter: <http://www.artnet.de/magazine/macht-zeigen-kunst-als-herrschaftsstrategie-im-deutschen-historischen-museum-berlin>

[10] Ebd.

[11] Nedo, Kito; Macht zeigen - DHM Berlin. "WOLLEN SIE NOCH SCHNITTCHEN?", in: Art das Kunstmagazin vom 04.03.2010, online unter: <http://www.art-magazin.de/kunst/27065/macht_zeigen_dhm_berlin>

[12] Widmann, Arno: Ausstellung "Macht zeigen". Ein buntes People-Magazin, in: fr-online vom 24.02.2010, online unter: <http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/2351827_Ausstellung-Macht-zeigen-Ein-buntes-People-Magazin.html>

[13] Nedo, Kito; Macht zeigen - DHM Berlin.

[14] Widmann, Arno: Ausstellung "Macht zeigen".

 

Art der Seite
Artikel
Artikelformat
Aus
Autor(en)
Chronologische Klassifikation
Header
Aus
Regionale Klassifikation
Reprint
Aus
Thematische Klassifikation
Titel

Macht zeigen - Kunst als Herrschaftsstrategie

Veröffentlichung
übergeordneter Themenschwerpunkt vorhanden
Aus