Bildungs- und Migrationsgeschichte

Verordnete Geschichte? Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen

Eine Einführung * Von Katrin Stoll, Sabine Stach und Magdalena Saryusz-Wolska * Juli 2016 Am 17. November 2015, drei Monate nach seiner Vereidigung als neuer Staatspräsident von Polen, lud Andrzej Duda ausgewählte Historiker, Publizisten, Museumsleiter und Politiker in seinen Wohnsitz, den Warschauer Belvedere-Palast, ein. Das Treffen war als programmatischer Auftakt für die Erarbeitung einer neuen geschichtspolitischen Strategie für Polen konzipiert. In seiner Eröffnungsrede ließ Duda keinen Zweifel daran, welch hohe Priorität der „richtige“ Umgang mit der Vergangenheit für Polen – und damit für sein eigenes Amtsverständnis – habe: „Geschichtspolitik zu betreiben, ist eine der wichtigsten Tätigkeiten des Präsidenten. Der Präsident ist der höchste Vertreter der Republik Polen. Es gibt eine große Erwartung ihm gegenüber, und ich möchte dieser gerecht werden.“

Zwischen nationalen und globalen Identitäten

Zur gesellschaftlichen Konstruktion des Fremden aus soziologischer Sicht * Von Benjamin Köhler * Juni 2016 Um die vergleichsweise hohe Zahl der Einwanderung von Geflüchteten und Vertriebenen im Jahr 2015 zu beschreiben, wurde quer durch alle Medien, ob Nachrichtenagenturen, Fernsehsender, Tages- oder Wochenzeitungen, von Flüchtlingsströmen oder Fluchtwellen gesprochen. Dies erweckt den Anschein, es handele sich um eine homogene Gruppe, die als nicht dazugehörig oder exotisch empfunden wird und sich fundamental von dem unterscheiden soll, was hierzulande als bekannt und normal angesehen wird. Dahinter steht die Frage nach der nationalen Identität, in der Handlungsspielräume und -grenzen derjenigen, die dazugekommen sind oder noch dazukommen werden, ausgehandelt werden und die damit soziale Beziehungen als fremd oder nicht fremd festlegt.

Die Angst des Philosophen vor der Grenzenlosigkeit

Globalgeschichte, Herr Sloterdijk und die AFD * Von Martina Winkler * Mai 2016 Im Zuge der aktuellen sogenannten Flüchtlingskrise erfährt die Grenze eine bemerkenswerte Image-Aufwertung. Lange waren öffentliche Diskurse über Europa von einem Trend zu „weniger Grenze“ geprägt. Unterstützt wurde diese scheinbare Einmütigkeit durch Bilder von der Öffnung der Grenzen zwischen Österreich und Ungarn 1989. Den Fotografien, auf denen die Außenminister Gyula Horn und Alois Mock gemeinsam einen Stacheldraht zerschneiden, wurde ikonische Bedeutung zuerkannt. In Fotoprojekten wurden Grenzhäuschen als Relikte einer längst vergangenen Zeit dokumentiert. Und natürlich spielte das Ideal der Grenzfreiheit im Rahmen der Konstruktion Europas nicht nur als Wirtschafts- sondern vor allem auch Wertegemeinschaft eine zentrale Rolle.

„Bin ich Deutsch genug?“

https://www.hdg.de/stiftung/Die Ausstellung „Immer bunter. Einwanderungsland Deutschland“ im Haus der Geschichte * Von Sandra Vacca und David Christopher Stoop * April 2016 In den letzten Jahren hat eine steigende Zahl von Museen damit begonnen, sich mit der Geschichte der Migration auseinanderzusetzen. Obwohl der Arbeitskreis Migration des Deutschen Museumsbundes seit 2010 Handlungsempfehlungen für Museen diskutiert und 2015 einen entsprechenden Leitfaden veröffentlichte, haben viele Museen weiterhin Schwierigkeiten, die Normalität von Migration anzuerkennen und sie angemessen in ihre Dauerausstellungen zu integrieren. So ist etwa das Thema Einwanderung in der ständigen Ausstellung des Hauses der Geschichte nur als „Inselthema“ präsent, das lediglich als punktueller Zusatz zum nationalen Geschichtsnarrativ der Bundesrepublik erscheint. Zumindest in Wechselausstellungen (z.B. „Das neue Deutschland – von Migration und Vielfalt“ im Deutschen Hygiene-Museum Dresden) und in Neu-Lesungen bestehender Sammlungen (wie dem Projekt “NeuZugänge“ im Friedrichshain-Kreuzberg Museum oder dem Projekt „Blickwinkel“ im Kölnischen Stadtmuseum) wird das Thema Migration in den letzten Jahren vermehrt aufgegriffen. Sechzig Jahre nach dem ersten Anwerbeabkommen und siebzehn Jahre nach der ersten, vom Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD e. V.) organisierten Ausstellung zum Thema Migration mit dem Titel „Fremde Heimat“, setzt sich das Haus der Geschichte in Bonn in einer aktuellen Ausstellung mit der Geschichte der Einwanderung auseinander. Von Dezember 2014 bis August 2015 war die Wechselausstellung „Immer bunter. Einwanderungsland Deutschland“ in Bonn zu sehen. Sie wurde anschließend von Oktober 2015 bis April 2016 im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig gezeigt.

Flucht und Asyl

Zeithistorische Bemerkungen zu einem aktuellen Problem * Von Ulrich Herbert * Dezember 2015 Massenmigration, das hat dieser Überblick gezeigt, ist keine vorübergehende Ausnahme, deren Ende man erwarten kann, sondern in seiner modernen Form seit etwa einhundert Jahren feststellbar und sich stetig ausweitend. Außer in den Fällen der Vertreibung ethnischer Minderheiten ist sie in der Regel die Folge wirtschaftlicher Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten, oft im Kontext von bewaffneten Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen, und zwar im regionalen und nationalen Raum ebenso wie im kontinentalen oder globalen Rahmen. Sie entzieht sich als solche wertender Betrachtung – Migration an sich ist weder gut noch schlecht. Kulturelle Begegnung, Vermischung, Kommunikation ist der eine Teil davon; Sklaverei, Ausbeutung, Zwangsarbeit, Entwurzelung, Xenophobie der andere. Dabei zeigt der Blick in die Geschichte der Wanderungsbewegungen zum einen etwas von der Langfristigkeit, der Diversität, der räumlichen und zeitlichen Dimension dieser Prozesse und von den relativ begrenzten Möglichkeiten, sie außer mit kriegerischer Gewalt zu steuern. Das behütet einen vor allzu großem Optimismus, was die politische Einflussnahme angeht. Er zeigt zum anderen aber auch, dass es richtig ist, Migration und die davon ausgehenden Auswirkungen nicht als den Sonderfall, sondern als das Normale zu betrachten, das uns lange, immer erhalten bleiben wird. Und die Vorstellung, es gebe eine „Lösung“ der Migrationsproblematik, ist ein gewichtiger Teil der Problematik selbst...

Die Komplexität von Integration

Was wir von der Geschichte der „Gastarbeiter“ lernen können, die von den fünfziger bis in die siebziger Jahre nach Deutschland kamen, erscheint vielen Kommentatoren und Zeitanalysten offensichtlich zu sein: Die Bundesrepublik hat damals total versagt, weil sie an eine Integration der Arbeitsmigranten nicht einmal gedacht hat.

Die Angst vor dem Schornsteinfeger

Wieder einmal: Osten gegen Westen?

Die aktuellen Diskussionen über das europäische Bemühen und Versagen im Umgang mit der großen Zahl von Flüchtlingen sind sehr stark bestimmt von einem Dualismus zwischen Ost und West. So banal diese Feststellung jedem auch nur oberflächlichen Zeitungsleser erscheinen muss, so viele Fragen und Probleme eröffnet sie doch.

Das Fremde bleibt fremd! Zur Aktualität zeithistorischer Forschung

Das hier erneut publizierte Thesenpapier war eine Reaktion von drei Potsdamer Mitarbeitern des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) auf die heftige außerwissenschaftliche Debatte um die Ursachen und die Bedeutung der bis dahin einzigartigen Welle fremdenfeindlicher Gewalt, die insbesondere Ostdeutschland im Sommer 2000 erschüttert und in der bundesdeutschen Öffentlichkeit zu heftigen Kontoversen gef

Utopien und Bildungsexperimente in der Tschechoslowakei der 1950er Jahre

Ein Dokumentarfilm aus dem Jahre 2015, der sich mit einer speziell für Romakinder eingerichteten Schule befasst, die in der stalinistischen Tschechoslowakei das Ziel verfolgte, „Zigeuner“ zu „zivilisieren und zu kultivieren“, weckt bei dem historisch und postkolonial vorgebildeten Zuschauer relativ präzise Erwartungen. Die Schlagworte „Experiment“ und „Utopie“ verstärken diese Erwartungen zusätzlich, ebenso wie der Titel „Zatajené dopisy“ (Geheimgehaltene Briefe).