Was wir von der Geschichte der „Gastarbeiter“ lernen können, die von den fünfziger bis in die siebziger Jahre nach Deutschland kamen, erscheint vielen Kommentatoren und Zeitanalysten offensichtlich zu sein: Die Bundesrepublik hat damals total versagt, weil sie an eine Integration der Arbeitsmigranten nicht einmal gedacht hat. Historikerinnen und Historiker reden vom „Mythos“ und von der „Illusion“ der Rückkehr: Die Deutschen hätten schlicht die Augen vor der Tatsache der Einwanderung verschlossen.[1] Nun aber, so wird allenthalben vermutet, ließe sich aus der Geschichte lernen: Die zahlreichen Probleme, die sich aus der bundesrepublikanischen Einwanderung ohne Integration ergeben hätten, könnten sich durch eine staatlich forcierte Einbindungspolitik lösen lassen.[2]
Doch vieles, von dem, was über die Gastarbeiter erzählt wird, ist falsch: von der Vermutung, die Initiative für die Anwerbung der Arbeitskräfte sei von der Bundesrepublik ausgegangen,[3] über die Unterstellung, die Migrantinnen und Migranten hätten in Deutschland ihr gelobtes Land gesehen, während die deutsche Gesellschaft sie ausgebeutet und kaltherzig abgewiesen hätte, bis hin zu dem Glauben, die überwältigende Mehrheit der ausländischen Arbeiternehmer sei hier geblieben.
Tatsächlich wollte die Mehrheit der Arbeitsmigranten etwas Anderes: kurz bleiben, viel verdienen, schnell zurück. Und so gingen von den 14 Millionen eingereister Gastarbeiter in den Stoßzeiten der Migration von den fünfziger Jahren bis in die siebziger Jahre etwa 12 Millionen wieder in ihre Heimat zurück.[4]
Die Geschichte der „Gastarbeiter“ wird häufig als stark normativ gefärbte Opfergeschichte präsentiert.[5] Doch der Prozess der Integration ist – selbstverständlich – kein Vorgang, der lediglich von oben nach unten gestaltet wird, bei dem die Aufnahmegesellschaft die Akteurin ist und die Migranten als passive Verschiebemasse benutzt werden. Daher ist es wichtig, den Blick auch auf die Einwanderinnen und Einwanderer selbst zu richten, auf ihre Erwartungen und auf ihre kulturellen Prägungen. Für dieses detaillierte Bild der Lebenswelt soll hier der Fokus auf den Italienern liegen, ohne doch die anderen Nationalitäten aus dem Blick zu verlieren. Die italienischen „Gastarbeiter“ bilden eine der wichtigsten Einwanderungs-Gruppen in Westdeutschland, und viele Aspekte des Migrationsprozesses lassen sich an ihnen beispielhaft erläutern. Eine Analyse, die ohne normative Vorannahmen auszukommen versucht, wird zugleich auf die relative Beschränktheit staatlicher Lenkungspolitik aufmerksam machen.[6]
Anwerbung
Die Geschichte der „Gastarbeiter“ in Westeuropa begann im Mittelmeerraum.[7] In Ländern wie Italien und Griechenland, Jugoslawien oder der Türkei herrschte bis weit in die fünfziger Jahre eine hohe Arbeitslosigkeit; ein Großteil der Bevölkerung lebte am Rande oder unterhalb des Existenzminimums. Auf die zunehmenden sozialen Spannungen antworteten die Regierungen im explosiven Umfeld des Kalten Krieges gereizt. Die krisengeschüttelten Länder versprachen sich von einer Orientierung am Westen nicht zuletzt eine Besserung ihrer ökonomischen Lage. In dieser Situation traten sie an die europäischen Industrienationen heran und baten um ein Abkommen: Bürger ihres Landes sollten für eine befristete Zeit in der boomenden Industrie der westeuropäischen Länder arbeiten können. Die Bundesrepublik war ebenso wie Frankreich, die Schweiz oder die Niederlande eine begehrte Partnerin.[8] Im Jahr 1954 hieß es im deutschen Arbeitsministerium, es gebe geradezu einen „Drang des Auslandes“, in der „deutschen Wirtschaft Arbeitskräfte unterzubringen“. Einige Jahre später zählte das Arbeitsministerium über zwanzig Staaten, die gerne ein Abkommen mit der Bundesrepublik geschlossen hätten.[9]
Doch während Frankreich sich 1951 auf ein Migrationsabkommen mit Italien einließ, blieb die Bundesregierung in dieser Frage ablehnend. Sie hatte, um die angespannte innenpolitische Situation zu entlasten, eben selbst noch emsig daran gearbeitet, Deutsche zur Migration zu motivieren und im Ausland anzusiedeln.[10] Der Ost-West-Konflikt entwickelte eine aggressive Dynamik, es herrschte Wohnungsmangel, und die Arbeitslosigkeit lag 1951 bei über 10 Prozent, 1955 immerhin noch bei rund 6 Prozent. Wie Umfragen zeigten, ging die Mehrheit der Bundesbürger davon aus, dass ein Dritter Weltkrieg unmittelbar bevorstünde. Die Angst vor einer Inflation saß tief. In ihrem geteilten Vaterland nahmen die Deutschen beklommen den anhaltenden Flüchtlingsstrom aus Ostdeutschland wahr. Dennoch akzeptierte die Bundesrepublik 1955 ein Abkommen mit Italien. Auch mit Griechenland und Spanien führten die deutschen Behörden lange vor dem offensichtlichen Arbeitskräftemangel Unterhandlungen, die dann 1960 zum erfolgreichen Abschluss kamen. 1961 vereinbarten die Türkei und die Bundesrepublik – die sich inzwischen zum „Wirtschaftswunderland“ mit einer boomenden Industrie entwickelt hatte – ein weiteres Anwerbeabkommen. 1963 kamen Marokko und Südkorea an die Reihe, 1964 Portugal. Tunesien und Jugoslawien folgten 1965 und 1968.[11]
Was bewog die Bundesrepublik Deutschland, sich trotz der unruhigen Zeiten und einer durch den Kalten Krieg verängstigten Bevölkerung auf Anwerbeverträge für ausländische Arbeitskräfte einzulassen?
Im Süden Italiens hatte sich trotz etlicher Landwirtschaftsreformen nach dem Zweiten Weltkrieg eine Elite von Grundbesitzern erhalten, die von der chronischen Unterbeschäftigung der Menschen profitierte. Das Klientel-System, die katholische Kirche und eine strenge Familienordnung prägten die Gesellschaft. Viele Männer mussten sich als Tagelöhner verdingen. Ein Großteil der Menschen hatte, wenn überhaupt, nur wenige Jahre die Schule besucht. Noch 1962 waren 64 Prozent der Abwanderer aus Süditalien Analphabeten und Halbanalphabeten.[12] „Ich bin fünf Jahre zur Armenschule gegangen, immer am Tag gearbeitet und abends zur Schule“, erzählte ein Arbeitsmigrant aus Apulien.[13] Im überwiegenden Teil der Häuser gab es in den fünfziger Jahren keine Elektrizität und nur ein Drittel hatte fließendes Wasser und eine Toilette. In der Türkei war die Lage vielfach noch schlimmer. Die Nahrung war kärglich, und die Kindersterblichkeit lag hoch. In den ärmeren und ländlicheren Regionen wie Anatolien galt die fünfjährige Schulpflicht als eine ungeliebte Maßnahme der Regierung und ließ sich fernab der Staatsgewalt ohnehin kaum durchsetzen.[14]
„Keine Arbeit!“, erinnerte sich später ein italienischer Arbeitsmigrant an die Situation in seinem apulischen Dorf: „Ich war noch jung. Ich kann arbeiten! Aber ich habe nichts verdient!“ Die Regierungen der mediterranen Länder wünschten sich, mit Hilfe der Anwerbeabkommen nicht nur die Arbeitslosigkeit zu drosseln, sondern auch die Wanderungsströme besser kontrollieren zu können. Wirtschaftlich erwarteten sie, durch Devisen und Kompetenztransfer die Armut zu lindern. Vor allem die italienische Regierung hegte die Hoffnung, ihr eklatantes Defizit in der Handelsbilanz zu reduzieren, und sie setzte darauf, durch Abwanderung den Unmut in der Bevölkerung zu dämpfen, um die starken kommunistischen Kräfte in Italien in Schach zu halten.[15]
In Deutschland verhielt sich nicht nur die Regierung ablehnend gegenüber den Migrationsbestrebungen. Die Gewerkschaften befürchteten, dass ausländische Arbeitnehmer die Löhne drücken könnten. In weiten Kreisen herrschte zudem die Angst vor sozialistischer Infiltration, und immer wieder forderten Politiker, dass „ausländerpolizeiliche Gesichtspunkte“ den ökonomischen Interessen vorgeordnet werden müssten.[16] Andererseits wurden die außenpolitischen Gründe, die für eine Einwanderung sprachen, immer wichtiger: Die westdeutsche Regierung musste einen Importstreik von Seiten Italiens fürchten, wenn sie sich nicht auf das geforderte Migrationsabkommen einlassen würde. In den Zeiten des Kalten Krieges spielten zudem bündnispolitische Überlegungen in die Entscheidungsfindung hinein.[17] Im Fall des spanisch-deutschen Migrationsabkommens kamen die Bemühungen um einen potentiellen NATO-Partner zum Tragen, und im Fall Jugoslawiens wollte man die Tür zum Ostblock einen Spalt weit öffnen und zur Entspannung der Lager beitragen. Als die Türkei um ein Abkommen bat, erklärte der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung, dass weitere Kräfte aus der Türkei zwar nicht notwendig seien, dass sich aber die Bundesrepublik womöglich einem Abkommen nicht verschließen könne, „da die Türkei ihre Aufnahme in die EWG beantragt hat und als NATO-Partner eine nicht unbedeutende politische Stellung einnimmt.“[18] Zunehmend drängten auch die Unternehmen darauf, Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben, denn die Arbeitslosigkeit sank stetig.
Die diplomatische Qualität der erwarteten Gegenleistungen verdeutlicht, wie wichtig den mediterranen Staaten die Abwanderung erschien. Als das Abkommen mit Deutschland rechtskräftig wurde, trieb der italienische Staat daher in den armen südlichen Regionen die Migration voran und drängte arbeitslose Männer, als „lavoratore ospito“, als „Gastarbeiter“ ins Ausland zu gehen: In den Kinos liefen Spots, im Radio wurde Werbung geschaltet und in Zeitungen inseriert, Mitteilungsbroschüren lagen in den Dörfern aus.[19] Die kommunistischen Kräfte in Italien aber verurteilten die staatlich gelenkte Migration und erklärten sie für eine Bankrotterklärung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, weil sie lediglich als Ventil für ungelöste Probleme in den südlichen Regionen diene.[20]
Die Verlusterfahrungen, die den Migrationsprozess häufig begleiteten, begannen mit dem Abschied von der Familie. „Ich habe nicht zurück geschaut, bin weg!“, beschrieb ein Migrant rückblickend den Schmerz. „Ich wollte meine Mutter nicht nochmal sehen, meine Geschwister, meine Haustür nicht! Ich konnte das nicht sehen….“ Ein anderer, der wie viele Arbeitsmigranten zuvor kaum aus seinem Heimatdorf herausgekommen war, erzählte: „Beim Weggehen, das kann ich nie vergessen, wie meine Mutter da gelitten hat und geheult und gemacht.“ Den meisten sollte ein weiteres Trauma bevorstehen. Da viele Abwanderer aus agrarischen Gesellschaften stammten, sah man sie in der neuen, hochindustrialisierten Umgebung als defizitär an: als ungebildet, traditional, ohne gewerkschaftliches Engagement, autoritätsgläubig und – ab den sechziger Jahren – oft auch als irgendwie zu religiös. Sie wurden, um mit dem Historiker Dipesh Chakrabarty zu sprechen, eine Figur des Mangels. Die neue Gesellschaft stellte die Wertvorstellungen der „Gastarbeiter“ fundamental in Frage.[21]
Für die Migranten bildete die Armut das dominierende Abwanderungsmotiv. Doch etliche wollten auch einfach der gesellschaftlichen Enge entkommen. Manche flohen vor einem Familienzwist, einige vor dem tyrannischen Grundbesitzer und andere vor dem Militärdienst. Nicht zu unterschätzen ist auch die Abenteuerlust.[22] Viele Auswanderer waren junge Menschen, die sich darauf freuten, die Welt zu sehen. Die meisten Migranten hegten aber den Wunsch nach sozialem Aufstieg. Für die Italiener hieß das: ein Stück Land und ein eigenes Haus. Wie andere Arbeitsmigranten, die nach Westeuropa kamen, wollten sie schnell und viel Geld verdienen und damit rasch wieder zurückkehren. Die Migration innerhalb Europas erschien gerade deswegen wesentlich attraktiver als etwa die Auswanderung nach Übersee, weil die Rückkehr hier von beiden Seiten vorgesehen war und garantiert schien.
Dass die Männer nur vorübergehend für einige Jahren im Ausland arbeiten sollten, davon gingen zunächst alle Beteiligten aus: die Regierungen der Herkunftsländer und der Aufnahmeländer (zu denen neben der Bundesrepublik auch die Schweiz oder Frankreich gehörten), die Unternehmen und vor allem die Arbeitsmigranten selbst. Sie sollten in aller Regel recht behalten: Die meisten Arbeitsmigrantinnen und -migranten erfüllten sich ihren Lebenswunsch und kehrten nach einiger Zeit zurück. Vielen gelang es, sich ihren Lebenstraum von einem eigenem Haus und Landbesitz zu erfüllen.
Arbeit
Neben der Anwerbung bildet die angeblich diskriminierende Arbeitssituation der ausländischen Arbeitnehmer eine wichtige Komponente in den öffentlichen Erzählungen über die „Gastarbeiter“. Doch das Abkommen zwischen Italien und Deutschland von 1955, das als Muster für alle weiteren „Gastarbeiter“-Verträge in der Bundesrepublik diente, begründete keine besonders restriktive Einwanderungspolitik. Es orientierte sich an dem italienisch-französischen Anwerbevertrag und entsprach damit den Normen anderer Migrationsregimes.[23] Das Dokument garantierte die sozialpolitische und tarifliche Gleichstellung der Angeworbenen – darauf hatten die Gewerkschaften gepocht. Die Dauer des Arbeitsvertrags beschränkte sich zunächst auf ein Jahr und konnte bei Bedarf verlängert werden.
Mit ihrem tariflich geschützten Arbeitsvertrag nahmen die offiziell angeworbenen Arbeiterinnen und Arbeiter im Gegensatz zu manchen Arbeitsmigranten, die nicht im Rahmen des Anwerbeabkommens nach Deutschland gekommen waren, an den beachtlichen Lohnsteigerungen in Westdeutschland teil. Das Realeinkommen stieg pro Kopf von 1950 bis 1960 um hundert Prozent, bis 1973 sogar um das Dreifache. Die jährlichen Wachstumsraten lagen bei knapp 10 Prozent.[24] „Die Leute kamen dorthin, weil der Lohn gut war“, erzählte ein Süditaliener anerkennend über den deutschen Arbeitgeber: „Es gab zudem viele Rechte. Es gab die Dividende, das Weihnachtsgeld, es gab alles.“ Auch wenn in kleineren Betrieben und in der Landwirtschaft die Lage oft weniger rosig aussah, so empfanden viele Arbeitsmigranten nach der harten körperlichen Arbeit in ihrer Heimat das geregelte Arbeitsleben als leicht zu bewältigen.[25] „Ich habe angefangen zu arbeiten als Kind mit sechs Jahren, im Weinbau, als Schäfer und auf dem Bau und in der Weinkellerei“, erzählte ein Migrant. Die Arbeit in Deutschland sei für ihn dagegen keine große Herausforderung gewesen.
Nach und nach bekamen die Migranten die Möglichkeit, ihre Arbeitsverträge zu entfristen. Ein leitender Personalmanager erklärte 1964 der Öffentlichkeit: „Der Betrieb hat selbstverständlich ein Interesse daran, auch Italiener, die sich bei der Arbeit bewährt haben, als Dauerarbeitskräfte zu behalten, denn schließlich ist jede Neueinstellung und Einarbeitung mit erheblichen Kosten verbunden.“[26] Tatsächlich hatten die Arbeitgeber – anders als teilweise die Politik – keinerlei Interesse an einer hohen Fluktuation. Sie waren froh, wenn sie die Migranten in die Stammbelegschaft integrieren konnten. Die Bergbauindustrie rekrutierte sogar gerade deswegen koreanischer Arbeiter, um die Stammbelegschaft zu stabilisieren.[27] Das Rotationsprinzip – ein wichtiger Bestandteil in der Opfererzählung über die „Gastarbeiter“ – ergab ökonomisch keinen Sinn und wurde daher selbst in denjenigen Anwerbeverträgen ausgehebelt, in denen es ausdrücklich vorgesehen war wie in den Abkommen mit der Türkei oder mit Marokko. Einige Betriebe hofften sogar, „auf die Dauer“ ausländische „Führungskräfte zu gewinnen oder heranbilden zu können.“[28]
Dennoch bekamen die Migranten in der Regel die schmutzigste und körperlich härteste Arbeit zugeteilt. Das entsprach ihrer Tätigkeit als ungelernte oder angelernte Beschäftigte. Volkswagen etwa setzte die Italiener in der Polsterei, Gießerei, Lackiererei oder im Karosseriebau ein.[29] In vielen Großunternehmen arbeiteten „Gastarbeiter“ am Fließband. Dabei schätzten sie die Stellung am Band unterschiedlich ein. „Mir ging es wie Jesus am Kreuz dort. Die Arbeit war schrecklich“, berichtete ein Apulier. Ganz anders sein Landsmann: „Ich kam sofort zum Fließband […]. Es war eine wunderbare Arbeit, die mir sehr gefiel.“ Der Stolz, den viele Arbeiter auf ihre guten Leistungen am Band entwickelten ist bemerkenswert. Ein VW-Mitarbeiter aus der süditalienischen Provinz Basilikata, verwies selbstbewusst auf seine Fähigkeiten am Fließband: „Ich musste dann eine sozusagen versteckte Arbeit verrichten. Ich musste einen Gummi unter den Benzintank legen und zwei Muttern anschrauben, während das Band weiterlief“, erzählte er. „Ich beherrschte diese Arbeit sofort. Ich saß auf einem rollenden Sitz, und ich begleitete die Maschine, die weiterlief. Ich beherrschte die Arbeit – so sehr, dass sie sich wie von alleine erledigte! Der Meister, der Vorarbeiter, sagte: ‚Ist das möglich? Der veräppelt mich doch!’ Er stellte sich mir gegenüber auf, um mir zuzusehen, beobachtete mich – und war verblüfft.“[30]
Für die bundesdeutsche Bevölkerung hatte die Beschäftigung der Migranten in den Billiglohnsegmenten einen überaus positiven Effekt: Erst die „Gastarbeiter“ ermöglichten die massiven Kürzungen der Arbeitszeit in der Bundesrepublik mit der 5-Tage- und 45-Stunden-Woche. Der tarifliche Urlaub wurde von 14 Tagen auf 24 Tage ausgedehnt. Und dank der Arbeitsmigranten konnten die Deutschen einen höheren sozialen Status erringen: Von 1960 bis 1970 stiegen etwa 2,3 Millionen deutsche Arbeiter in Angestelltenpositionen auf. Im Jahr 1965 resümierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Die Einstellung zu den ausländischen Arbeitern wird ungemein versachlicht, wenn man sich im Vorbeigehen am Kanalisationsschacht einmal fragt, wer wohl von den deutschen Arbeitnehmern diese Arbeiten heute noch ausführen möchte.“[31]
Weder die Regierungen der Herkunftsländer, noch die Verantwortlichen in der Bundesrepublik sahen zunächst ein Problem in der „Unterschichtung“, also darin, dass die Migranten den Aufstieg der Deutschen ermöglichten, indem sie selbst die unteren gesellschaftlichen Positionen einnahmen. Die deutschen Gewerkschaften, die jede Konkurrenzsituation zu den einheimischen Arbeitern verhindern wollten, hielten diese Position der Arbeitsmigranten für richtig und wichtig.[32] Den Wunsch der ausländischen Arbeitnehmer nach Akkordarbeit, Zusatzschichten, Nacht- und Wochenendarbeit empfanden die Gewerkschaften hingegen als Ärgernis. [33] Diese Interessenkollision zwischen Arbeitsmigranten, die sich auf hohen Lohn und baldige Rückkehr konzentrierten, und Gewerkschaften, die auf eine kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen hinwirkten, ist typisch. Auch die deutschen Arbeitskollegen schauten oft genug mit Missgunst auf den Eifer ihrer ausländischen Kollegen. In den Buderus-Eisenwerken in Wetzlar etwa protestierten die Deutschen gegen das schnelle Arbeitstempo der Migranten.[34] Als die türkischen Arbeitsmigranten kamen, rätselten regierungsamtliche Stellen, warum sie zu den fleißigsten und diszipliniertesten „Gastarbeitern“ gehörten und vermuteten, dass es an dem strengen Militärdienst in der Türkei liegen müsse.[35]
Bildung als zentraler Integrationsfaktor
Die ungelernte, schlecht bezahlte Arbeit lässt sich jedoch trotz der Vorteile, die viele Deutsche daraus zogen, nicht nur mit Blick auf die Einwanderungsgesellschaft erklären. Denn die Arbeitssituation der Migrantinnen und Migranten gestaltete sich unterschiedlich, je nach dem, aus welchem Land sie kamen. Dabei wird deutlich, wie wichtig die Lebensentwürfe der Migranten selbst und ihr kulturelles Kapital sind. So integrierten sich griechische Arbeitsmigranten wesentlich schneller, erlernten die Sprache, verfolgten einen beruflichen Aufstieg, und ihre Kinder erzielten bald höhere Bildungsabschlüsse.[36]
Die Unterschiede lassen sich recht einfach erklären. Der Schlüssel zur Integration liegt in der Bildung. Spanier und Griechen etwa wurden überwiegend als Fachkräfte angeworben, gelangten also mit einer guten Ausbildung in die Bundesrepublik. Migranten aus Italien und Türkei hingegen kamen, wie oben dargestellt, vor allem als ungelernte Arbeiter und hatten zum Großteil eine geringe Schulbildung und nur selten eine berufliche Qualifikation. Bei den Süditalienern gab es neben ihrer Herkunft aus einer bildungspolitisch vernachlässigten Gesellschaft einen weiteren Faktor, der ihren geringen Bildungsgrad erklärt: Sobald italienische Arbeitnehmer eine bessere Ausbildung aufweisen konnten, hatten sie die Chance, im Norden Italiens Arbeit zu erhalten.[37] Außerdem konnten Italiener seit Anfang der sechziger Jahre durch die Freizügigkeit des EWG-Abkommens auch ohne staatliche Vermittlung nach Deutschland gehen. In dieser Zeit aber rekrutierte die Bundesrepublik verstärkt Facharbeiter, die nicht aus Italien, sondern aus den anderen Anwerbeländern kamen.[38] Dadurch befanden sich im Vergleich zu anderen Nationen überproportional viele Italiener mit mangelhafter Schulbildung in Deutschland.
Die Lasten und Probleme, die Migranten mit diesen Startbedingungen erwuchsen, lassen sich in ihrer Bedeutung für den gesamten Migrationsprozess kaum überschätzen. Denn in einer modernen Gesellschaft führen Bildungsdefizite in aller Regel in eine Sackgasse. Zunächst ist es ohne Bildungshintergrund schwer, die Vorteile einer Weiterbildung erkennen. „Nicht, dass ich nicht gewollt hätte, aber was ich verdiente, das reichte mir“, berichtete ein italienischer Industriearbeiter von seinen Erfahrungen mit Weiterbildungsmaßnahmen. Das war eine typische Haltung. Da es ihnen allein um den Verdienst ging, lockte sie die Qualität einer Arbeit nicht. Sie waren zudem kaum bereit, für eine Aus- und oft auch eine Weiterbildung eine gewisse Einkommenseinbuße hinzunehmen. So avancierten nur 8 Prozent der Italiener vom ungelernten zum Facharbeiter, während 18 Prozent der griechischen und 23 Prozent der spanischen Gastarbeiter eine Facharbeiter-Ausbildung absolvierten.[39]
Das der Erfolg der Integrationsbemühungen des Aufnahmelandes ganz wesentlich auch von der Eigeninitiative der Migranten abhängt, verdeutlicht das Beispiel Volkswagen.[40] Der Autobauer, der in vielerlei Hinsicht eine vorbildliche Eingliederungspolitik anstrebte, organisierte für seine ausländischen Arbeitnehmer seit 1963 Weiterbildungskurse und unterstützte Vereinigungen wie die Carl-Duisberg-Gesellschaft bei der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen. Bemühungen um eine Weiterbildung der Migranten finden sich seit den sechziger Jahren in ganz Deutschland. So boten beispielsweise Volkshochschulen Kurse für die Migranten an. Allerdings führten all diese Maßnahmen nur in Einzelfällen zum Erfolg. Das zentrale Hindernis für die Weiterbildung, aber auch für die Integration in die Mehrheitsgesellschaft bildeten die mangelnden Sprachkenntnisse. Verantwortliche erkannten diesen Zusammenhang und boten in großem Umfang Deutschkurse an. Doch gerade für Analphabeten ist es überaus mühevoll, eine Fremdsprache zu erlernen. Im Jahr 1969 musste das Bundessozialministerium konstatieren, dass sich „ausländische Arbeitnehmer vom Nutzen des Deutsch-Unterrichts nur schwer überzeugen“ ließen.[41] Unter sizilianischen Arbeitern ging die Redensart um: „Deutsch ist so schwierig, dass es nicht einmal der Heilige Geist versteht.“ Der Soziologe Hartmut Esser hat zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, wie entscheidend die Sprachkenntnisse für eine erfolgreiche Integration sind.[42]
In den Wirtschaftskrisen seit Ende der sechziger Jahre verloren daher zuerst die ungelernten Arbeiter ihren Job, unter ihnen viele Männer aus Italien und der Türkei. Für Arbeitslose indes gestaltet sich das Leben in der neuen Gesellschaft noch wesentlich schwieriger.
Mangelnde Bildung erwies sich aber nicht nur für die Einwanderer als Problem, sondern sie wirkte sich zudem fatal auf die nachkommenden Generationen aus. Bereits Anfang der sechziger Jahre begannen Länder und Kommunen sich mit der Bildungssituation der ausländischen Kinder auseinander zu setzen. Sie versuchten, deren Bedürfnissen mit einem Unterrichtsmodell gerecht zu werden, das den Sprachunterricht in Deutsch und in der Muttersprache vorsah.[43] Der muttersprachliche Unterricht erschien den Migranten wichtig, denn selbst die Familien gingen häufig davon aus, dass sie zurückkehren würden. Doch das doppelte Schulprogramm überforderte die ausländischen Schülerinnen und Schüler. Und gerade die Kinder, die in Deutschland blieben, hatten darunter zu leiden, dass sie zuhause nicht die Landessprache lernten. So besaßen 70 Prozent der italienischen Migranten noch 2009 keinen oder nur einen geringen Bildungsabschluss, gegenüber 55 Prozent aller Migranten (und 37 Prozent der Einheimischen).[44]
Die Bedeutung des kulturellen Kapitals der Einwanderer zeigt sich an den Entwicklungen in Wolfsburg. Hier konnten Unternehmen und Kommune zum Wohle der Migranten so eng zusammenarbeiten, wie es sonst kaum möglich war: Sehr früh organisierten die Verantwortlichen einen Unterricht, der speziell auf die Bedürfnisse der italienischen Kinder zugeschnitten war, sie organisierten Hausaufgabenhilfen und Stadt und Werk sorgten sogar für die Gründung einer deutsch-italienischen Gesamtschule. Das Ergebnis: Bildung und Integration der Italiener entwickelten sich hier nicht besser als im Rest der Republik.
Reaktionen der deutschen Gesellschaft auf die Migration
Wie reagierte die deutsche Gesellschaft auf die Fremden?
Die Sozialdemokraten zeigten sich ähnlich wie die Gewerkschaften – und wie die italienischen Kommunisten – zunächst skeptisch. Die SPD lehnte noch im Jahr 1955 das Abkommen mit Italien ab, da sie die Arbeitslosigkeit in Deutschland immer noch für zu hoch hielt.[45] In den sechziger und siebziger Jahren zeigten dann insbesondere während der Wirtschaftskrisen etliche Deutsche offene Ausländerfeindlichkeit. Doch insgesamt erwies sich die Bundesrepublik als ein relativ offenes Land. Das lag auch daran, dass viele Deutsche den großen Fleiß der „Gastarbeiter“ bewunderten – anders als die unmittelbaren Kollegen, die den Arbeitseifer ihrer neuen Kollegen als Konkurrenzdruck empfanden. Im September 1962 klärte die „Bild“-Zeitung ihre Leser darüber auf, „was wirklich mit [den Italienern] los ist“; eine Untersuchung der deutschen Arbeitgeber offenbare deren Zufriedenheit mit den ausländischen Beschäftigten: „Sie sind oft fleißiger als ihre deutschen Kollegen – weil sie besonders viel verdienen wollen; sie wechseln allerdings häufiger den Arbeitsplatz – sie folgen dem höheren Angebot“.[46] Überhaupt erwies sich die Presse den Arbeitsmigranten gegenüber als offen und bemühte sich mit pädagogischem Impetus in Leitartikeln und Reportagen, den Deutschen die schwierige Situation der „Gäste“ verständlich zu machen.[47]
Populäre Lieder wie Udo Jürgens’ „Griechischer Wein“ zeugen von der empathischen Stimmung in der Bevölkerung: „Und dann erzählten sie mir von […] jungen Frauen, die alleine sind,/ und von dem Kind, das seinen Vater noch nie sah./ Sie sagten sich immer wieder: Irgendwann kommt er zurück./ Und das Ersparte genügt zu Hause für ein kleines Glück.“ Die Fremdheit der „Gastarbeiter“ weckte bei den Deutschen romantische Sehnsuchtsvorstellungen. „In dieser Stadt werd‘ ich immer nur ein Fremder sein, und allein“, sang Udo Jürgens. Und in den sechziger Jahren trällerten die Deutschen den sentimentalen Schlager „Zwei kleine Italiener“, in dem es hieß: „Eine Reise in den Süden /ist für andre schick und fein /doch zwei kleine Italiener /möchten gern zuhause sein“. Um 1970 wuchs das bürgerliche Engagement für die Rechte der Migranten. Nicht nur in großen Verbänden wie der Caritas, sondern auch in kleineren Gruppen, wie der evangelischen, politisch links stehenden „Industriediakonie in der Arche“ zeigten deutsche Bürger zivilgesellschaftlichen Einsatz. Die Mitglieder der „Arche“ hielten engen Kontakt zu den Gewerkschaften, die sich den Migranten ebenfalls immer weiter öffneten. In „Diskussionsgottesdiensten“, Podiumsdiskussionen und kulturellen Veranstaltungen konnten sich Deutsche und Arbeitsmigranten treffen und austauschen.[48]
Die Wohnungspolitik gehörte zu den schwierigsten Feldern des Einwanderungsprozesses. Der Bund stellte bezeichnenderweise für Familienwohnungen der Migranten nur 40 Millionen Mark zur Verfügung – im Gegensatz zu 450 Millionen für Ausländerwohnheime. In Frankfurt galt in den sechziger Jahren ausdrücklich die Devise, dass der Familiennachzug nicht erwünscht sei. Mangels rechtlicher Mittel versuchten die Behörden mit verwaltungstechnischen Maßnahmen den Zuzug von Familien zu verhindern. Diese diskriminierende Praxis – die freilich immer noch und nicht zu Unrecht in der Überzeugung wurzelte, dass die Mehrheit der Migranten ohnehin zurückkehren würde – ließ sich nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa beobachten.[49] Immer wieder lehnten Einheimische es ab, mit Ausländern zusammen zu leben. Andere Deutsche wiederum nutzten die Zwangslage der Migranten und verlangten auch für die elendsten Behausungen horrende Mieten. Bezeichnenderweise prangerten die Zeitungen die Wucherpreise für Ausländer und die mangelnde Fairness gegenüber den Migranten in einer ausführlichen Berichterstattung an.[50]
Diskriminierung und Wohnungsmangel waren aber nur ein Grund, warum viele der ausländischen Familien in schlechten Unterkünften lebten. Auch in diesem Fall ist das Beispiel Wolfsburg und Volkswagen erhellend. Da hier die meisten Immobilien in enger Zusammenarbeit von Unternehmen und Kommune betrieben wurden, konnte eine gezielte, integrative Wohnungspolitik betreiben werden. Werk und Stadt hegten lange Zeit das Ziel, keine Wohnungen speziell für ausländische Familien zu bauen, um eine „Ghettobildung“ zu verhindern.[51] Italiener, die ihre Familie mitbrachten, gehörten zur Stammbelegschaft und sollten nicht mehr isoliert leben.[52] So quartierten die Verantwortlichen in Wolfsburg ausländische Familien inmitten deutscher Familien ein. In den großen Mehrfamilienhäusern Wolfsburgs sollten pro Treppenaufgang maximal zwei ausländische Familien leben.[53]
Doch nach und nach fanden sich die Wolfsburger Familien mit Migrationshintergrund wie in anderen Städten in relativ isolierten Wohngegenden. Das lag schlicht auch daran, dass Migranten zumeist nicht bereit waren, für die Wohnung so viel Geld auszugeben wie deutsche Familien – nicht zuletzt wegen ihres anhaltenden Rückkehrwunsches. In anderen Kommunen ließe sich Migranten überwiegend in den Altstädten nieder. Während die Deutschen ins Grüne zogen und in den Vorstädten Eigenheime bauten, wurden die häufig unsanierten Altbauwohnungen immer billiger und damit für Migranten attraktiver.[54]
Ein weiterer wichtiger Faktor im Integrationsprozess ist Religion, denn für den Großteil der Arbeitsmigranten aus dem mediterranen Raum spielte sie eine substanzielle Rolle. Dabei standen religiöse Praktiken einer Integration vielfach im Wege. „Die Bauern sind dazu geboren, der Religion zu dienen“, schrieb ein türkischer Lehrer über sein anatolisches Heimatdorf in den fünfziger Jahren; Bücher, Zeitungen und alles Gedruckte hielten die Dorfbewohnern nach seinen Informationen für gottlos.[55] In Deutschland bemühten sich die türkischen Arbeitsmigranten ihre religiöse Lebensweise zu erhalten und dafür die – ihrer Meinung nach – notwendige Distanz zur deutschen Gesellschaft zu wahren. Auch für italienische „Gastarbeiter“ war Religion ein wichtiger Bestandteil ihrer Lebenswelt. Das deutsch-italienische Anwerbeabkommen von 1955 schrieb der katholischen Kirche die Betreuung der Arbeiter zu. Tatsächlich fungierten die kirchlichen Institutionen in den ersten Jahren als die wichtigsten Interessenvertretungen der Italiener.[56] In Wolfsburg feierte in den sechziger Jahren der italienische Geistliche, ein bekennender Patriot, mit Hunderten von Italienern Gottesdienste in ihrer Muttersprache. Er setzte sich für den Italienischunterricht der Migrantenkinder ein, organisierte Freizeitaktivitäten, bei denen die Italiener unter sich bleiben konnten, und mahnte seine Landsleute, die Heimat und ihre Rückkehr dorthin nicht aus dem Blick zu verlieren.
Das beherzigten die Italiener. Als der italienische Konsul sie während einer Wirtschaftskrise in Italien aufforderte, möglichst lange im Norden zu bleiben, gab es einen grimmigen Aufschrei – wer wollte schon länger als unbedingt nötig in Deutschland leben? Es war dann schließlich der Anwerbestopp im Jahr 1973, der bei vielen „Gastarbeitern“ zwar nicht zu einer Klärung der Rückkehr-Frage führte, aber doch zu dem Entschluss beitrug, ihre Familien (vorläufig) nachzuholen.[57] Bis 1974 hatten von den Migrantinnen und Migranten, die noch in der Bundesrepublik lebten, 58 Prozent ihre Familien nachgeholt. [58]
Insgesamt wirkte der Migrationsprozess bei den Betroffenen als eminente Entwicklungsblockade. Während sich die deutsche Gesellschaft in den sechziger Jahren zu einer Konsumgesellschaft entwickelte, während die Demokratisierung und Liberalisierung in vielen Bereichen voranschritt und Säkularisierung, aber auch Individualisierung zunehmend das Leben der Menschen prägten,[59] lebten viele Italiener – zurückgezogen, dem Priester am Sonntag lauschend, sparsam, fleißig – weiterhin für einen agrarischen Traum in der süditalienischen Heimat mit eigenem Grund und Boden.[60]
Falls sich etwas aus der Geschichte der „Gastarbeiter“ im Hinblick auf die gegenwärtige Flüchtlingssituation schlussfolgern lässt, sollten folgende drei Punkte berücksichtigt werden:
Erstens begannen die Integrationsbemühungen von Seiten der deutschen Gesellschaft nicht erst in den neunziger Jahren, sondern schon relativ früh nach dem Abschluss der ersten Anwerbeabkommen. Allerdings konnte sich die Bundesrepublik kaum zum Einwanderungsland erklären, solange den Beteiligten – vor allem den Migranten selbst – nicht klar war, dass es zu einer Einwanderung kommen würde. Die mangelhafte Integration vieler Flüchtlinge lässt sich daher nicht einfach mit einem Versagen der Aufnahmegesellschaft erklären. Bei ähnlichen äußeren Bedingungen verlief der Integrationsprozess der diversen Einwanderergruppen ganz unterschiedlich. Das heißt, der Erfolg der Integration hängt auch von den Flüchtlingen selbst ab. Da es zweitens heute wesentlich weniger Jobs für ungelernte Arbeitskräfte gibt, muss man damit rechnen, dass sich Migranten ohne eine ausreichende Bildung kaum integrieren können, weil Arbeitslosigkeit ebenso wie mangelnde Sprachkenntnisse ein enormes Integrationshemmnis darstellen. Entscheidend ist drittens die Bleibeperspektive. Wer nicht bleiben will oder wer nicht bleiben darf, lernt die Sprache kaum und kann sich nur schwer auf das neue Land einlassen.
[1] Rieker: „Ein Stück Heimat findet man ja immer“. Die italienische Einwanderung in die Bundesrepublik, Essen 2003, S. 145; Anselm Doering-Manteuffel, Lutz Raphael: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008, S. 98; Auch Mergel erklärt, es habe sich bald angedeutet, dass die Arbeitsmigration „permanenter Natur“ werden würde: Thomas Mergel: Transnationale Mobilität, Integration und Herkunftsbewusstsein. Migration und europäisches Selbstverständnis im 19. und 20. Jahrhundert, in: Hartmut Kaelble, Martin Kirsch (Hg.): Selbstverständnis und Gesellschaft der Europäer. Aspekte der sozialen und kulturellen Europäisierung im späten 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. u. a. 2008, S. 251-297, hier S. 280.
[2] Vgl. zu den Ursachen für den in Deutschland virulenten „Opfer-Plot“ über die Gastarbeiter: Hedwig Richter: Die italienischen „Gastarbeiter“ in deutschen Selbstfindungsdiskursen der Gegenwart und die Ausblendung der Remigration, in: Oliver Janz, Roberto Sala (Hg.): Deutsche Vita. Das Bild der Italiener in der Bundesrepublik, Frankfurt 2011, S. 198-222.
[3] Trotz der wichtigen Studie von Heike Knortz (Diplomatische Tauschgeschäfte. „Gastarbeiter“ in der westdeutschen Diplomatie und Beschäftigungpolitik 1953-1973, Köln u. a. 2008) werden die bilateralen Anwerbeabkommen zum Teil bis heute auf diese Erzählung verkürzt und nur die Interessen der Einreiseländer, nicht aber die der Herkunftsländer erwähnt, etwa Jochen Oltmer: Einführung: Migrationsverhältnisse und Migrationsregime nach dem Zweiten Weltkrieg, in: ders., Axel Kreienbrink, Carlos Sanz Díaz (Hg.): Das „Gastarbeiter“-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, München 2012, 9-24, hier 10 f.
[4] Hans-Ulrich Wehler: Bundesrepublik und DDR. 1949-1990 (=Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5), München 2008, S. 41; Teilweise ist von 11 Millionen Rückkehrerinnen und Rückkehrern die Rede, Jochen Oltmer: Einführung: Migrationsverhältnisse und Migrationsregime nach dem Zweiten Weltkrieg, in: ders., Axel Kreienbrink, Carlos Sanz Díaz (Hg.): Das „Gastarbeiter“-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, München 2012, 9-24, hier 11.
[5] Hedwig Richter u. Ralf Richter: Der Opfer-Plot. Probleme und neue Felder der deutschen Arbeitsmigrationsforschung, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (2009), S. 61-97.
[6] Die abnehmende Lenkungsfähigkeit der europäischen Staaten im Migrationsprozess ist vielfach aufgezeigt worden, vgl. etwa Frank Caestecker, Eric Vanhaute: Zuwanderung von Arbeitskräften in die Industriestaaten Westeuropas. Eine vergleichende Analyse der Muster von Arbeitsmigration und Rückkehr 1945-1960, in: Jochen Oltmer, Axel Kreienbrink, Carlos Sanz Díaz (Hg.): Das „Gastarbeiter“-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, München 2012, 39-52; vgl. auch die Beiträge in dem Sammelband von Roberto Sala und Carlo Sanz Díaz.
[7] Vgl. umfassend zu den Anwerbeabkommen: Knortz: Diplomatische Tauschgeschäfte.
[8] Für einen europäischen Vergleich: Werner Nell, Stéphanie-Aline Yeshurun: Arbeitsmarkt, Migration, Integration in Europa. Ein Vergleich, Schwalbach /Ts. 2008.
[9] Knortz: Diplomatische Tauschgeschäfte; Johannes-Dieter Steinert: Migration und Politik. Westdeutschland – Europa – Übersee 1945-1961, Osnabrück 1995.
[10] Vgl. Jan Philipp Sternberg: Auswanderungsland, Zuwanderungsland. Die Doppelrolle der Migrationspolitik in der frühen Bundesrepublik, in: Oltmer u.a. (Hg.): Das „Gastarbeiter“-System, 25-38.
[11] Steinert: Migration und Politik, 270-277; Knortz: Diplomatische Tauschgeschäfte, 92-110.
[12] Paul Ginsborg: A History of Contemporary Italy. Society and Politics 1943-1988, New York 2003.
[13] Alle hier zitierten und nicht näher bezeichneten wörtlichen Aussagen finden sich in Interviews, die 2004 bis 2005 mit italienischen Migranten geführt wurden: Unternehmensarchiv Volkswagen (UVW); nähere Informationen zu den Interviews finden sich auch in Hedwig Richter, Ralf Richter: Die „Gastarbeiter“-Welt. Leben zwischen Palermo und Wolfsburg, Paderborn 2012.
[14] Arnd Schneider: Emigration und Rückwanderung von „Gastarbeitern“ in einem sizilianischen Dorf, Frankfurt a. M. u. a. 1990; Rieker: „Ein Stück Heimat“; Otto Neuloh u.a.: Integration oder Rückkehr – Das ist die Frage. Türkische „Gastarbeiter“ zwischen gestern und morgen, Bonn 1974.
[15] Roberto Sala: Fremde Worte. Medien für „Gastarbeiter“ in der Bundesrepublik im Spannungsfeld von Außen- und Sozialpolitik, Paderborn 2011.
[16] Zitiert nach Karen Schönwälder: „Ist nur Liberalisierung Fortschritt?“ Zur Entstehung des ersten Ausländergesetzes der Bundesrepublik, in: Jan Motte u. a. (Hg.): 50 Jahre Bundesrepublik – 50 Jahre Einwanderung. Nachkriegsgeschichte als Migrationsgeschichte, Frankfurt a. M./ New York 1999, S. 127-144, hier S. 136 f.
[17] Vgl. zum Thema Kalter Krieg und Arbeitsmigration: Hedwig Richter, Ralf Richter: Italienische „Gastarbeiter“ im Ost-West-Konflikt – Propaganda und Überwachung zwischen Italien, BRD und DDR in den sechziger Jahren, in: Deutschland Archiv 3 (2008), S. 456-465.
[18] Zitiert nach Steinert: Migration und Politik, S. 307.
[19] Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung: Erfahrungsbericht 1962. Anwerbung Vermittlung Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer, Nürnberg 1963; Helmut Weicken: Anwerbung italienischer Arbeitskräfte, in: Arbeit-Beruf und Arbeitslosenhilfe 3 (1956), S. 53-55.
[20] Elisabetta Vezzosi: Il socialismo indifferente: Immigrati italiani e Socialist Party negli Stati Uniti del primo Novecento, Rom 1991.
[21] Dipesh Chakrabarty: Postcoloniality and the Artifice of History: Who Speaks for „Indian” Pasts?, in: Representations 37 (1992), S. 1-26; Werner Schiffauer: Fremde in der Stadt. Zehn Essays über Kultur und Differenz, Frankfurt a. M. 1997.
[22] Zur Abenteuerlust als Migrationsmotiv: Sylvie Bredeloup: The figure of the adventurer as an African migrant, in: Journal of African Cultural Studies 2 (2013), S. 170-182.
[23] Was nicht heißt, dass es zahlreiche Varianten innerhalb der Einwanderungspolitiken der unterschiedlichen Länder gab: Jenny Pleinen: Die Migrationsregime Belgiens und der Bundesrepublik seit dem Zweiten Weltkrieg, Göttingen 2012.
[24] Wehler: Bundesrepublik und DDR, S. 54.
[25] Ulbrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, München 2001; Vortrag Georg Kugland vom 10.6.1964, S. 5, UVW 69/184.
[26] Vortrag Georg Kugland am 10.6.1964, S. 12, UVW 69/184.
[27] Kristin Klank: Stammbelegschaft oder Fluktuationsreserve? Ausländische Beschäftigte im Aachener Steinkohlenrevier, 1900-1960, in: Dittmar Dahlmann, Margit Schulte Beerbühl (Hg.): Perspektiven in der Fremde. Arbeitsmarkt und Migration von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Bielefeld 2011, S. 215-239, hier S. 235-238.
[28] Aktennotiz „Betrifft: Italienische Gastarbeiter“ von der Personalabteilung vom 27.10.1961, S. 1, UVW 174/2290.
[29] H. Richter, R. Richter: „Gastarbeiter“-Welt, S. 92.
[30] Herbert bemerkt, „dass es gar nicht in erster Linie Ausländer selbst waren, die sich über ihre schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen erregten“ (Herbert: Ausländerpolitik, S. 212 f.); vgl. zur Bandarbeit auch Eduard Gaugler u. a.: Ausländerintegration in deutschen Industriebetrieben, Königstein/Ts. 1985, S. 150.
[31] „Wo sollen die ausländischen Arbeiter wohnen?“, in: FAZ vom 28.7.1965.
[32] Protokoll Betriebsratssitzung vom 19.1.1962, 16.2.1962 und 11.4.1963, UVW 119/22/1 und 2; Dohse: Ausländerpolitik, S. 499-527.
[33] So hieß es etwa in einem Sitzungsprotokoll des DGB zur Lage bei der Bundesbahn, dass die Fluktuation der ausländischen Arbeitnehmer außerordentlich hoch sei, „weil vielen Ausländern die Arbeit zu schwer und unser Klima nicht zuträglich ist. Andererseits machen gerade die Ausländer von dem bei der Bundesbahn eingerichteten Belohnungsfonds für freiwillige Schichten regen Gebrauch. Es wäre angebracht, die Ausländer über die Frage der Arbeitszeit aufzuklären.“ Niederschrift über die Sitzung von Vertretern der Gewerkschaften und der DGB-Landesbezirke am 16.12.1960 in Düsseldorf vom 8.3.1961, S. 2, AdsD, DGB 5/DGAZ 000238; in historischer Perspektive vgl. Thomas Welskopp: Arbeit und Macht im Hüttenwerk. Arbeits- und industrielle Beziehungen in der deutschen und amerikanischen Eisen- und Stahlindustrie von den 1890er bis zu den 1930er Jahren, Bonn 1994, S. 317.
[34] „Europe’s Immigrant Workers Boost Costs, Pose Other Problems“, in: Wall Street Journal vom 16.3.1964; vgl. dazu Rieker: „Ein Stück Heimat“, S. 22.
[35] Neuloh u.a.: Integration oder Rückkehr, S. 108.
[36] Gaugler u. a.: Ausländerintegration, S. 167; Vgl. zur Assimilation bei der beruflichen Stellung siehe auch: Frank Kalter, Nadia Granato: Sozialer Wandel und strukturelle Assimilation in der Bundesrepublik. Empirische Befunde mit Mikrodaten der amtlichen Statistik, in: Klaus J. Bade (Hg.): Migration – Integration – Bildung. Grundfragen und Problembereiche. Für den Rat für Migration, Osnabrück 2004, S. 77; Der Spiegel schrieb 1967: „Der Anteil der ungelernten […] Arbeiter (Ministerial-Jargon: ‚Hilfshilfskräfte’) ist bei den Italienern am größten“ („Schwund bei Italienern“, in Spiegel vom 16.10.1967); vgl. dazu auch Bericht von Pusch [wohl Niedersächsisches Innenministerium] über Betreuung ausländischer Arbeitnehmer vom 19.3.1965, HStA Hannover Nds. 500 Acc. 6/77 Nr. 3; Martin Frey: Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Ein statistischer Überblick. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 25/6 (1982), S. 15; Siegfried Bullinger: Ausländerbeschäftigung, Arbeitsmarkt und Konjunkturverlauf in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1974, S. 167; Dietrich von Delhaes-Günther u. a.: Abwanderung von Arbeitskräften aus Italien, der Türkei und Jugoslawien. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 12/3 (1976), S. 3-23, hier S. 6 u. 21.
[37] Vgl. zur Binnenmigration in Italien: Olga Sparschuh: Die Wahrnehmung von Arbeitsmigranten aus dem ‚Mezzogiorno‘ in deutschen und italienischen Großstädten, in: Oliver Janz, Roberto Sala (Hg.): Dolce Vita? Das Bild der italienischen Migranten in Deutschland, Paderborn, S. 95-116.
[38] Rieker, „Ein Stück Heimat“, S. 100 f., 114.
[39] Erst in den neunziger Jahren holten die Italiener in Sachen Weiterbildung auf und nahmen diese Maßnahmen in etwa gleichem Umfang wie ihre anderen ausländischen Kollegen wahr. Allerdings führten die Lehrgänge bei den italienischen Arbeitnehmern wesentlich seltener zu einem beruflichen Aufstieg als bei ihren Kollegen aus anderen Ländern: Ursula Mehrländer u. a. im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung: Repräsentativuntersuchung ’80. Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1981, S. 167; Mehrländer u. a.: Repräsentativuntersuchung 1995, S. 90-93.
[40] Vgl. dazu ausführlich: H. Richter, R. Richter: Die "Gastarbeiter"-Welt.
[41] Vermerk des Niedersächsischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr über „Sitzung der Länderkommission für Entwicklungshilfe“ vom 13.6.1969, HStA Hannover Nds. 500 Acc. 6/77 Nr. 3; H. Richter, R. Richter: „Gastarbeiter“-Welt, S. 96-101.
[42] Hartmut Esser: Wenig hilfreich. Zweisprachigkeit fördert die Integration von Zuwanderern nicht wesentlich, in: WZB-Mitteilungen 111 (2006), S. 23 f.; Hartmut Esser: Aspekte der Wanderungssoziologie. Assimilation und Integration von Wanderern, ethnischen Gruppen und Minderheiten. Eine handlungstheoretische Analyse. Darmstadt 1980.
[43] Ulrike Davy: Die Integration von Einwanderern. Rechtliche Regelungen im europäischen Vergleich, Frankfurt a. M. 2001.
[44] Esser: Zweisprachigkeit, S. 23 f.; Information des BAMF, 26.8.2010, URL: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen; Stern.online „Ungebildet – und dennoch integriert“, 14.11.2010; Sonja Haug: Die Integration der Italiener in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in: Janz, Sala (Hg.): Dolce Vita?, S. 136-152; Hartmut Esser: Modell, Versuch und Irrtum, in: FAZ vom 29.7.2009.
[45] „Hunderttausend italienische Arbeiter kommen“, in: FAZ vom 21.12.1955.
[46] Bild-Zeitung vom 1.9.1962.
[47] Karen Schönwälder: Einwanderung und ethnische Pluralität. Politische Entscheidungen und öffentliche Debatten in Großbritannien und der Bundesrepublik von den fünfziger bis zu den siebziger Jahren, Essen 2001.
[48] H. Richter, R. Richter: „Gastarbeiter“-Welt, S. 147.
[49] „Europe Migrants Begin Trips Home“, in: New York Times vom 24.12.1964.
[50] Rieker: „Ein Stück Heimat“, S. 69; Protokoll Wohnungssauschuss vom 8.3.1963, S. 4, StadtA WOB, ohne Signatur; Schönwälder: Einwanderung.
[51] Di Virgilio, Ausländerreferat: „Prinzipielle Überlegungen über die Arbeit der Stelle für Ausländerbetreuung“ vom 14.2.1974, S. 15, StadtA WOB, HA 6650.
[52] Vgl. dazu Wilfried Elberskirch: Integrationsprobleme italienischer Arbeitnehmer am Hauptsitz eines Automobilunternehmens. Graduierungsarbeit (Maschinenschrift). Wolfsburg 1974, S. 64.
[53] Protokoll Wohnungssauschuss vom 25.3.1964, S. 7, StadtA WOB, ohne Signatur; Ausländerausschuss vom 28.6.1974, S. 5, StadtA WOB, ohne Signatur; Vgl. dazu auch: Protokoll Stadtratssitzung vom 18.12.1970, S. 9 f.; H. Richter, R. Richter: „Gastarbeiter“-Welt, S. 180.
[54] Elberskirch: Integrationsprobleme, S. 82. Vgl. dazu auch Ulfert Herlyn u.a.: Stadt im Wandel. Eine Wiederholungsuntersuchung der Stadt Wolfsburg nach 20 Jahren, Frankfurt/M. und New York 1982, S. 151. Mit einer besonders offenen, integrativen Wohnungspolitik hat diese typisch bundesrepublikanische Altstadt-Besiedlung durch Migranten also wenig zu tun. So vermutet die New York Times, Stuttgarts Integration sei deswegen reibungslos verlaufen, weil die „Gastarbeiter“ von den Behörden in der Innenstadt einquartiert worden seien, um sie besser zu integrieren, „Stuttgart Struggles to House the Migrants it Embraces“, in: New York Times, 6.10.2015.
[55] Mahmut Makal: Mein Dorf in Anatolien, Frankfurt 1971, S. 156 f.
[56] Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung: Erfahrungsbericht 1962, S. 9; „Synode spricht für Gastarbeiter“, in: Süddeutsche Zeitung vom 24./25.11.1973.
[57] Marcel Berlinghoff: Der europäische Anwerbestopp, in: Oltmer u.a. (Hg.): „Gastarbeiter“-System, S. 149-166.
[58] „Prinzipielle Überlegungen über die Arbeit der Stelle für Ausländerbetreuung“ vom Ausländerreferat vom 14.2.1974, S. 2, StadtA WOB, HA 6650; Elberskirch: Integrationsprobleme, S. 64.
[59] Detlef Pollack, Gergely Rost: Religion in der Moderne. Ein internationaler Vergleich, Frankfurt und New York 2015, S. 98-174.
[60] Doering-Manteuffels und Raphaels Vermutung, die Arbeitsmigranten hätten „in zugespitzter Weise und sehr früh jene Umbrüche erlebt, welche mit der Auflösung der Nachkriegsordnung einhergingen“, gilt jedenfalls nicht für die Arbeitsmigranten: Doering-Manteuffel, Raphael: Nach dem Boom, S. 100.
Die Komplexität von Integration
Arbeitsmigration in die Bundesrepublik Deutschland von den fünfziger bis in die siebziger Jahre