Transnationale Geschichte

Wie klingt Auschwitz?

Drei Perspektiven auf "Son of Saul" * Von Jakob Mühle, Maren Francke und René Schlott * März 2016 Das preisgekrönte Holocaustdrama „Son of Saul” des ungarischen Regisseurs László Nemes zeigt einen Tag im Oktober des Jahres 1944 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Im beklemmenden 4:3 Format heftet sich der Blick des Zuschauers an Saul Ausländer (eindrucksvoll gespielt von Géza Röhrig), einem Häftling des sogenannten jüdischen Sonderkommandos, das die Deutschen für den reibungslosen Ablauf der Massenvernichtung in den Gaskammern und Krematorien eingesetzt hatten. Der Protagonist Saul hetzt 107 Minuten lang durch das Lager. Er ist auf der Suche nach einem Rabbiner, um einen toten Jungen, den er für seinen Sohn hält, nach jüdischem Ritus zu begraben.

Kommentar zum Artikel „Flucht und Asyl“ von Ulrich Herbert

Von Phillip Ther * März 2016 Der Artikel bietet einen erhellenden Überblick über die Geschichte der Immigration in die Bundesrepublik Deutschland und die damit zusammenhängenden politischen Konflikte. Ulrich Herbert befasst sich zunächst mit den Gastarbeitern und den Aussiedlern. Letztere wurden seit 1957 als Nachfolger der Flüchtlinge und Vertriebenen angesehen, und besaßen deshalb einen ähnlich vorteilhaften Rechtsstatus, wanderten aber zumindest gegen Ende des Kalten Krieges vor allem aus wirtschaftlichen Motiven zu. Die dritte Gruppe, die der Autor am ausführlichsten behandelt, sind die Asylbewerber. Dagegen werden die Kriegsflüchtlinge aus dem zerfallenden Jugoslawien zwar kurz erwähnt, finden aber weniger Beachtung. Die Bundesrepublik nahm 1992-95 immerhin 350.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien auf, insgesamt mussten dort im gleichen Zeitraum mindestens 2,5 Millionen Menschen fliehen. Wenn man die 1,5 Millionen Asylbewerber dazu zählt, die Ulrich Herbert für den Zeitraum von 1990-94 aufführt, sowie die 2,1 Millionen Spätaussiedler aus Osteuropa, relativiert sich auch die gegenwärtige Flüchtlingskrise ein wenig.

„Das Buch der Deutschen“

Thomas Vordermayer über die Arbeit an der Edition von Hitlers „Mein Kampf“ * Von Annette Schuhmann * Januar 2016 Am 8. Januar 2016 stellt das Institut für Zeitgeschichte in München die kommentierte Gesamtausgabe: „Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition" vor. 
Gut drei Jahre haben Historiker/innen des Instituts unter Leitung von Christian Hartmann an einer, im wörtlichen Sinne zu verstehenden, vollständigen Kommentierung dieser Kampfschrift gearbeitet. Der Zeitdruck, unter dem sie dabei standen, war enorm, schließlich erlosch das Urheberrecht im Besitz des Freistaates Bayern am 1. Januar 2016. 
Die Arbeiten an der Kommentierung wurden von großem öffentlichen Interesse und nicht selten kontrovers begleitet. Dies ist ein durchaus seltener Glücksfall für unsere Profession, der aber ebenfalls für Anspannung sorgte und die Mitarbeiter des IfZ wiederholt mit Forderungen nach der Legitimation des Projektes konfrontierte.
In unserem Interview sollte es jedoch nicht um den Sinn der Edition gehen, den wir ohnehin nicht bezweifeln. Wichtiger waren für uns Fragen nach der Organisation des Forschungsprozesses, nach den persönlichen Eindrücken und dem „Leseerlebnis“, nach einer möglichen ironischen Distanz, die eine solche Arbeit begleiten kann, und danach, wie man als Wissenschaftler damit umgeht, auf ewig mit dem Titel „Mein Kampf“ in Verbindung gebracht zu werden.
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Flucht und Asyl

Zeithistorische Bemerkungen zu einem aktuellen Problem * Von Ulrich Herbert * Dezember 2015 Massenmigration, das hat dieser Überblick gezeigt, ist keine vorübergehende Ausnahme, deren Ende man erwarten kann, sondern in seiner modernen Form seit etwa einhundert Jahren feststellbar und sich stetig ausweitend. Außer in den Fällen der Vertreibung ethnischer Minderheiten ist sie in der Regel die Folge wirtschaftlicher Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten, oft im Kontext von bewaffneten Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen, und zwar im regionalen und nationalen Raum ebenso wie im kontinentalen oder globalen Rahmen. Sie entzieht sich als solche wertender Betrachtung – Migration an sich ist weder gut noch schlecht. Kulturelle Begegnung, Vermischung, Kommunikation ist der eine Teil davon; Sklaverei, Ausbeutung, Zwangsarbeit, Entwurzelung, Xenophobie der andere. Dabei zeigt der Blick in die Geschichte der Wanderungsbewegungen zum einen etwas von der Langfristigkeit, der Diversität, der räumlichen und zeitlichen Dimension dieser Prozesse und von den relativ begrenzten Möglichkeiten, sie außer mit kriegerischer Gewalt zu steuern. Das behütet einen vor allzu großem Optimismus, was die politische Einflussnahme angeht. Er zeigt zum anderen aber auch, dass es richtig ist, Migration und die davon ausgehenden Auswirkungen nicht als den Sonderfall, sondern als das Normale zu betrachten, das uns lange, immer erhalten bleiben wird. Und die Vorstellung, es gebe eine „Lösung“ der Migrationsproblematik, ist ein gewichtiger Teil der Problematik selbst...

Paris – Syrien

Öffentlichen Debatte nach den Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris * Von Teresa Koloma Beck * Dezember 2015 Am Abend des 13. November 2015 kamen in Paris mindestens 150 Menschen in einer Serie koordinierter Anschläge ums Leben. Politische Gewalt dieses Ausmaßes hat es in Europa seit den Zuganschlägen von Madrid am 3. April 2004 nicht mehr gegeben. Rasch werden Verbindungen der Täter zur militärisch im Irak und Syrien operierenden bewaffneten Gruppe »Islamischer Staat« (IS) deutlich. Seitdem scheint die Agenda der europäischen Politik von diesem Thema bestimmt: Wie war das möglich? Und was ist nun zu tun?

Die Komplexität von Integration

Was wir von der Geschichte der „Gastarbeiter“ lernen können, die von den fünfziger bis in die siebziger Jahre nach Deutschland kamen, erscheint vielen Kommentatoren und Zeitanalysten offensichtlich zu sein: Die Bundesrepublik hat damals total versagt, weil sie an eine Integration der Arbeitsmigranten nicht einmal gedacht hat.

Radau im Plattenbau

Das Bruce-Springsteen-Konzert am 19. Juli 1988 in Berlin-Weißensee auf der Treptower Insel war eine der größten Musikveranstaltungen der DDR-Musikgeschichte. Mit 160.000 Zuschauern stellte es einen Besucherrekord auf. Dass ein amerikanischer Künstler überhaupt in der DDR spielen durfte und dabei die Massen zu begeistern wusste, erklärt sich jedoch nicht ohne Weiteres. Erst eine Vielzahl von Faktoren ließ diese Veranstaltung Wirklichkeit werden.