Rechts- und Verfassungsgeschichte

„Ich sehe aus wie Alain Delon“

Vor 45 Jahren: Breschnew und Brandt baden gemeinsam auf der Krim * Von Susanne Schattenberg * Oktober 2016 Am 16. September 1971 empfing Leonid Breschnew Willy Brandt in Simferopol, bewirtete ihn dort mehrere Stunden, um ihn, wie Brandt der festen Überzeugung war, „unter den Tisch zu trinken“....

„Colonia Dignidad“

Die Geschichte einer deutschen Sekte in Chile zwischen Erinnerung, Musealisierung und historischer Aufarbeitung * Von Meike Dreckmann * September 2016 Spätestens seit der Film „Colonia Dignidad - Es gibt kein zurück“ von Florian Gallenberger in die deutschen Kinos kam, weckte die Geschichte der deutschen Sektengemeinschaft „Colonia Dignidad“ das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit. Vor allem aber sorgte der Film, so der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, für einen „künstlerischen Anstoß“ im bisher eher schwerfällig verlaufenden Aufarbeitungsprozess der Geschichte dieser Sekte. Das Auswärtige Amt beschloss in diesem Jahr die Aufhebung der Archivsperre und somit die Freigabe des Aktenbestandes des Auswärtigen Amtes der Jahre 1986 bis 1996 für Wissenschaft und Medien. Zudem erhob der Bundesaußenminister die Geschichte der Colonia Dignidad zur Fallstudie, die in die Curricula der Berliner Diplomatenschule aufgenommen werden soll. Er erklärte in diesem Zusammenhang: „Es gibt Fälle, in denen das Handeln nach Recht und Gesetz nicht reicht.“ Für diese Fälle soll die Geschichte der „Colonia Dignidad“ nun Lehrstück sein.

Aus aktuellem Anlass:

Fundamentalopposition: Die ambivalente Anlehnung der AfD an „68“ * Von von David Bebnowski * September 2016 Tatsächlich bezieht die AfD politstrategische Inspiration von Theorien aus dem Ideenreservoir linker Politik, indem sie diese für sich umwertet. Möchte man die rechtspopulistische Partei in der Debatte stellen, so lohnt ein Blick auf dieses thematisierungsbedürftige und bislang nur wenig verstandene Phänomen.

Politisches Bewusstsein und politische Gemeinschaft in Polen

Ein Interview mit dem polnischen Philosophen Andrzej Leder * Von Magdalena Saryusz-Wolska, Katrin Stoll und Andrzej Leder * August 2016 Der polnische Philosoph Andrzej Leder im Gespräch mit Magdalena Saryusz-Wolska und Katrin Stoll über Identität, gesellschaftliche Verantwortung und die Folgen einer Hegemonie des Populismus .

US-Außenminister John Kerry und der Krieg. Essay über biographische Kontinuität und amerikanische Politik

Teil II: Kriegserfahrung und politisches Handeln 1985 – 2002 * Von Ariane Leendertz * Juli 2016 1984 wurde Kerry für den Staat Massachusetts in den US-Senat gewählt. Als Mitglied des Foreign Relations Committee, vor dem er vierzehn Jahre zuvor als junger Aktivist Rede und Antwort gestanden hatte, spezialisierte er sich auf die Themen Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Rede hatte er 1971 mit einem hoffnungsvollen Wunsch enden lassen: In dreißig Jahren solle es in Amerika möglich sein, von „Vietnam“ als einem Ort zu sprechen, „where America finally turned and where soldiers like us helped it in the turning“.[8] Worauf bezog sich seine Hoffnung? Wie gestaltete sich sein Beitrag zu der erhofften Umkehr? Welche politischen Schlussfolgerungen leitete er aus seiner Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg ab?

Die Republik der Gerechten

Filme über Polen, die Juden retteten * Von Christian Prüfer und Piotr Forecki * Juli 2016 Oberflächlich betrachtet, hat das Thema der polnischen „Gerechten“, also jener Polen, die während des Holocaust Juden (zugleich polnische Staatsbürger) gerettet haben, nach den letzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2015 an Bedeutung gewonnen. Im Grunde jedoch hat sich mit dem Wahlsieg der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) nicht viel geändert. Die PiS ist eine populistische, national-katholische Gruppierung, die vorgibt, um den guten Ruf der Nation besorgt zu sein und nur ungern die dunklen Seiten der polnisch-jüdischen Geschichte anspricht.

Extending the hand of reconciliation?

Remembering the Srebrenica genocide and its perpetrators in Serbia * Von Jelena Đureinović * Juli 2016 According to Heike Karge, there are three main reasons why the state of “past perfect” has not been and will not be achieved in the close future for the families of the victims of the Srebrenica genocide. Besides the enormous forensic challenge of the primary and secondary gravesites, which is why not all the victims have been buried yet, and the issue of the juridical versus moral justice, she emphasizes the important issue of the recognition of the executions in July 1995 as genocide.

Verordnete Geschichte? Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen

Eine Einführung * Von Katrin Stoll, Sabine Stach und Magdalena Saryusz-Wolska * Juli 2016 Am 17. November 2015, drei Monate nach seiner Vereidigung als neuer Staatspräsident von Polen, lud Andrzej Duda ausgewählte Historiker, Publizisten, Museumsleiter und Politiker in seinen Wohnsitz, den Warschauer Belvedere-Palast, ein. Das Treffen war als programmatischer Auftakt für die Erarbeitung einer neuen geschichtspolitischen Strategie für Polen konzipiert. In seiner Eröffnungsrede ließ Duda keinen Zweifel daran, welch hohe Priorität der „richtige“ Umgang mit der Vergangenheit für Polen – und damit für sein eigenes Amtsverständnis – habe: „Geschichtspolitik zu betreiben, ist eine der wichtigsten Tätigkeiten des Präsidenten. Der Präsident ist der höchste Vertreter der Republik Polen. Es gibt eine große Erwartung ihm gegenüber, und ich möchte dieser gerecht werden.“

Verordnete Geschichte?

Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen * Von Magdalena Saryusz-Wolska, Sabine Stach und Katrin Stoll * Juli 2016 In unserem Themenschwerpunkt untersuchen wir die neuesten geschichtspolitischen Praktiken und erklären ihren Erfolg aus der Kontinuität nationalistischer Narrative im öffentlichen Diskurs. Wir vertreten die These, dass das Propagieren eines einseitig positiven, triumphalen, nationalistischen Bildes der Vergangenheit keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der neuen rechtskonservativen PiS-Regierung ist. Vielmehr greifen die Akteure auf altbekannte Motive der polnischen Geschichtskultur zurück – sowohl auf jene, die sie selbst in ihrer ersten Amtszeit von 2005 bis 2007 verwendeten, als auch auf solche, die viel tiefer in der polnischen Gesellschaft und Kultur verankert sind. Wie Geschichtspolitik in mehreren nationalistischen Gewändern daherkommt, wird anhand verschiedener Fallstudien gezeigt.

Des Kaisers neue Kleider

Eine Analyse des aktuellen rechtskonservativen Geschichtsdiskurses in Polen * Von Karol Franczak und Magdalena Nowicka * August 2016 Einer der Gründe für den Erfolg der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) in der polnischen Öffentlichkeit ist ihr konsequentes Eintreten für eine Geschichtsnarration, die, Michel Foucault folgend, als Gegen-Geschichte bezeichnet werden kann[1]. Dabei handelt es sich um ein affirmatives Geschichtsbild, welches bis vor Kurzem noch von der Mehrheit der polnischen Eliten als radikal und manipuliert bezeichnet wurde. Diese Gegen-Geschichte kehrt die vorherrschende Interpretation der Ereignisse um: der Erfolg des Runden Tisches von 1989 wird als eine verräterische Absprache der Opposition mit den kommunistischen Machthabern dargestellt, die führenden Akteure des Transformationsprozesses werden als käufliche Eliten beschrieben und die letzten hundert Jahre der polnischen Geschichte als Epoche ungebrochenen Heroismus‘ erzählt. Diese Gegen-Geschichte ist im heutigen Polen ein Instrument der Abrechnung.