„Colonia Dignidad“
Die Geschichte einer deutschen Sekte in Chile zwischen Erinnerung, Musealisierung und historischer Aufarbeitung
Die Geschichte einer deutschen Sekte in Chile zwischen Erinnerung, Musealisierung und historischer Aufarbeitung * Von Meike Dreckmann * September 2016 Spätestens seit der Film „Colonia Dignidad - Es gibt kein zurück“ von Florian Gallenberger in die deutschen Kinos kam, weckte die Geschichte der deutschen Sektengemeinschaft „Colonia Dignidad“ das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit. Vor allem aber sorgte der Film, so der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, für einen „künstlerischen Anstoß“ im bisher eher schwerfällig verlaufenden Aufarbeitungsprozess der Geschichte dieser Sekte. Das Auswärtige Amt beschloss in diesem Jahr die Aufhebung der Archivsperre und somit die Freigabe des Aktenbestandes des Auswärtigen Amtes der Jahre 1986 bis 1996 für Wissenschaft und Medien. Zudem erhob der Bundesaußenminister die Geschichte der Colonia Dignidad zur Fallstudie, die in die Curricula der Berliner Diplomatenschule aufgenommen werden soll. Er erklärte in diesem Zusammenhang: „Es gibt Fälle, in denen das Handeln nach Recht und Gesetz nicht reicht.“ Für diese Fälle soll die Geschichte der „Colonia Dignidad“ nun Lehrstück sein.
Die „pseudodissidentischen Brummkreisel“ der DDR-„Dissidenz“
Die Ausstellung „Gegenstimmen“ im Berliner Gropius-Bau und ihr sprachliches Begleitprogramm
Die Ausstellung „Gegenstimmen“ im Berliner Gropius-Bau und ihr sprachliches Begleitprogramm * von Anja Tack * September 2016 Noch bis Ende September 2016 sind im Berliner Martin-Gropius-Bau Kunstwerke zu sehen, die in der DDR entstanden sind. „Gegenstimmen. Kunst in der DDR 1976–1989“ lautet der Titel der Ausstellung, der den räumlichen, zeitlichen und intentionalen Rahmen der ausgestellten Werke absteckt. Christoph Tannert und Eugen Blume tragen die kuratorische Verantwortung für die Ausstellung; unterstützt wurde das Vorhaben durch die Deutsche Gesellschaft e.V.; finanziert haben das beachtliche Großprojekt die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sowie die Bundeszentrale für politische Bildung.
Aus aktuellem Anlass:
Fundamentalopposition: Die ambivalente Anlehnung der AfD an „68“
Fundamentalopposition: Die ambivalente Anlehnung der AfD an „68“ * Von von David Bebnowski * September 2016 Tatsächlich bezieht die AfD politstrategische Inspiration von Theorien aus dem Ideenreservoir linker Politik, indem sie diese für sich umwertet. Möchte man die rechtspopulistische Partei in der Debatte stellen, so lohnt ein Blick auf dieses thematisierungsbedürftige und bislang nur wenig verstandene Phänomen.
Politisches Bewusstsein und politische Gemeinschaft in Polen
Ein Interview mit dem polnischen Philosophen Andrzej Leder
Ein Interview mit dem polnischen Philosophen Andrzej Leder * Von Magdalena Saryusz-Wolska, Katrin Stoll und Andrzej Leder * August 2016 Der polnische Philosoph Andrzej Leder im Gespräch mit Magdalena Saryusz-Wolska und Katrin Stoll über Identität, gesellschaftliche Verantwortung und die Folgen einer Hegemonie des Populismus .
„Alles ganz authentisch, ungeschminkt und fernab von jeder Nostalgie“
Erinnerung an die DDR am Beispiel ostdeutscher Aktfotografie
Erinnerung an die DDR am Beispiel ostdeutscher Aktfotografie * Von Lisa Städtler * Juli 2016 Die historische Forschung fasst unter dem Begriff Ostalgie ganz grundsätzlich eine Form der Nostalgie für die DDR, die die sozialistische Vergangenheit romantisiert, und in ihrer extremsten Form sogar das repressive System des SED-Staates verleugnet. Die Kunsthistorikerin Elaine Kelly definiert Ostalgie als „an escapist and uncritical engagement with the past”. Ebenfalls aus einer historischen Perspektive schreibt Claire Hyland in ihrem Aufsatz Ostalgie doesn’t fit!, dass sich Ostalgie vor allem um Produkte der Populärkultur ranke. Die ostdeutsche Aktfotografie spielt in diesem Zusammenhang derzeit eine besondere Rolle. In den letzten Jahren erschienen drei Sammelbände, die den aktfotografischen Arbeiten von bis zu 24 ostdeutschen Künstlerinnen und Künstlern gewidmet sind: Schön nackt. Aktfotografie in der DDR (2009), Schöne Akte. Fotografien aus der DDR (2011) und Akt in der DDR. Eine Retrospektive (2014). Auf den Fotografien in den Sammelbänden sind zumeist nackte oder nur leicht bekleidete Frauen zu sehen, abgelichtet in der Natur, am Strand, in den Dünen, im Wald oder auch in Wohnhäusern. Kurze Texte, Geleitworte, Einleitungen oder abschließende Bemerkungen rahmen die Sammelbände. Die Aktbilder werden in ihrem Entstehungszusammenhang in der DDR verortet und erscheinen gerade aus diesem Grunde publizierungswürdig. Die Texte erfüllen also eine Deutungsfunktion hinsichtlich der DDR-Vergangenheit und sollen eine bestimmte Art der Erinnerung evozieren.
Die Republik der Gerechten
Filme über Polen, die Juden retteten
Filme über Polen, die Juden retteten * Von Christian Prüfer und Piotr Forecki * Juli 2016 Oberflächlich betrachtet, hat das Thema der polnischen „Gerechten“, also jener Polen, die während des Holocaust Juden (zugleich polnische Staatsbürger) gerettet haben, nach den letzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2015 an Bedeutung gewonnen. Im Grunde jedoch hat sich mit dem Wahlsieg der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) nicht viel geändert. Die PiS ist eine populistische, national-katholische Gruppierung, die vorgibt, um den guten Ruf der Nation besorgt zu sein und nur ungern die dunklen Seiten der polnisch-jüdischen Geschichte anspricht.
Verordnete Geschichte? Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen
Eine Einführung
Eine Einführung * Von Katrin Stoll, Sabine Stach und Magdalena Saryusz-Wolska * Juli 2016 Am 17. November 2015, drei Monate nach seiner Vereidigung als neuer Staatspräsident von Polen, lud Andrzej Duda ausgewählte Historiker, Publizisten, Museumsleiter und Politiker in seinen Wohnsitz, den Warschauer Belvedere-Palast, ein. Das Treffen war als programmatischer Auftakt für die Erarbeitung einer neuen geschichtspolitischen Strategie für Polen konzipiert. In seiner Eröffnungsrede ließ Duda keinen Zweifel daran, welch hohe Priorität der „richtige“ Umgang mit der Vergangenheit für Polen – und damit für sein eigenes Amtsverständnis – habe: „Geschichtspolitik zu betreiben, ist eine der wichtigsten Tätigkeiten des Präsidenten. Der Präsident ist der höchste Vertreter der Republik Polen. Es gibt eine große Erwartung ihm gegenüber, und ich möchte dieser gerecht werden.“
Verordnete Geschichte?
Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen
Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen * Von Magdalena Saryusz-Wolska, Sabine Stach und Katrin Stoll * Juli 2016 In unserem Themenschwerpunkt untersuchen wir die neuesten geschichtspolitischen Praktiken und erklären ihren Erfolg aus der Kontinuität nationalistischer Narrative im öffentlichen Diskurs. Wir vertreten die These, dass das Propagieren eines einseitig positiven, triumphalen, nationalistischen Bildes der Vergangenheit keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der neuen rechtskonservativen PiS-Regierung ist. Vielmehr greifen die Akteure auf altbekannte Motive der polnischen Geschichtskultur zurück – sowohl auf jene, die sie selbst in ihrer ersten Amtszeit von 2005 bis 2007 verwendeten, als auch auf solche, die viel tiefer in der polnischen Gesellschaft und Kultur verankert sind. Wie Geschichtspolitik in mehreren nationalistischen Gewändern daherkommt, wird anhand verschiedener Fallstudien gezeigt.
Des Kaisers neue Kleider
Eine Analyse des aktuellen rechtskonservativen Geschichtsdiskurses in Polen
Eine Analyse des aktuellen rechtskonservativen Geschichtsdiskurses in Polen * Von Karol Franczak und Magdalena Nowicka * August 2016 Einer der Gründe für den Erfolg der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) in der polnischen Öffentlichkeit ist ihr konsequentes Eintreten für eine Geschichtsnarration, die, Michel Foucault folgend, als Gegen-Geschichte bezeichnet werden kann[1]. Dabei handelt es sich um ein affirmatives Geschichtsbild, welches bis vor Kurzem noch von der Mehrheit der polnischen Eliten als radikal und manipuliert bezeichnet wurde. Diese Gegen-Geschichte kehrt die vorherrschende Interpretation der Ereignisse um: der Erfolg des Runden Tisches von 1989 wird als eine verräterische Absprache der Opposition mit den kommunistischen Machthabern dargestellt, die führenden Akteure des Transformationsprozesses werden als käufliche Eliten beschrieben und die letzten hundert Jahre der polnischen Geschichte als Epoche ungebrochenen Heroismus‘ erzählt. Diese Gegen-Geschichte ist im heutigen Polen ein Instrument der Abrechnung.
Die „Verstoßenen Soldaten“
Embleme eines Erinnerungsbooms
Embleme eines Erinnerungsbooms * Von Maria Kobielska * Juli 2016 Als Wissenschaftlerin, die sich mit der aktuellen polnischen Erinnerungskultur – und damit auch mit dem eigenen kulturellen Umfeld – beschäftigt, kann ich den neuesten Erinnerungsboom kaum übersehen. Dabei handelt es sich vor allem um das forcierte Gedenken an die sogenannten „Verstoßenen Soldaten“. Die polnische Erinnerungskultur konzentriert sich gegenwärtig in hohem Maße auf die militärische und politische Geschichte des Landes, auf große historische Ereignisse und die Leistungen der polnischen Armee. Diese Erinnerungskultur ist männlich, katholisch, ethnisch polnisch, zentralisiert, antikommunistisch und in jeder Hinsicht normativ. Zwar gibt es darin auch innovative, abweichende und kritische Elemente, diese nehmen jedoch stets auf die beschriebene Fokussierung der Erinnerungskultur Bezug, reagieren darauf und verarbeiten sie. Der „Boom der Verstoßenen“ treibt diese Form des Gedenkens allerdings ins Extreme.