Hiroshima – Die Atombombe als Gegenstand der Globalgeschichte
Einleitung
Die Atombombe als Gegenstand der Globalgeschichte * Von Lutz Raphael und Jan Eckel * April 2017 Viele Zeitgenossinnen und Zeitgenossen begriffen die Atombombe, deren zerstörerische Kraft mit den Explosionen über den japanischen Metropolen Hiroshima und Nagasaki im August 1945 schlagartig zutage trat, von Anfang an als eine technische Neuerung von weltpolitischer Bedeutung, womöglich sogar als welthistorische Zäsur. Die Autorin und Autoren wollen einen Beitrag dazu leisten, den Atombombenabwurf in seinen globalen Dimensionen auszuloten, und sie diskutieren, wie sich ein solcher globalhistorischer Problemkomplex erschließen lässt.
Hundert Jahre Februarrevolution in Petrograd - Hundert Jahre Umbruch
Die Fragen von 1917 bleiben offen
Vor hundert Jahren endete die Monarchie in Russland. Zar Nikolai II., der letzte Herrscher aus dem Hause Romanov, wurde von den russischen Eliten zur Abdankung bewogen. Mitten in einem Weltkrieg, in dem für die russische Seite militärische Erfolge zunehmend ausblieben, wurde er nur noch als Hypothek wahrgenommen und seiner Machtposition enthoben. Der Zar und seine Familie hatten sich in den vergangenen Jahren, vor allem aber seit Kriegsausbruch, durch zahlreiche Affären, ihre deutsche Verwandtschaft und durch die engen Kontakte zum skandalumwitterten Rasputin diskreditiert. Selbst das engste Umfeld des Zaren plädierte für den Rückzug. Die entscheidende Frage des modernen Russlands war: Was war die angemessene staatliche, politische und soziale Ordnung für das Reich?
Europa an der Grenze
Zeithistorische Anmerkungen zur „Flüchtlingskrise“
Zeithistorische Anmerkungen zur „Flüchtlingskrise“ * Von Annette Schuhmann, Christoph Plath * Dezember 2016 Zu den Zielen des Fachportals Zeitgeschichte-online gehört nicht zuletzt die Beobachtung der Gegenwart. Allerdings, und das unterscheidet das Portal vom Auftrag der sogenannten Leitmedien, beobachten wir aktuelle Ereignisse, Konflikte und Debatten aus der Perspektive der zeithistorischen Forschung. Das Thema, das derzeit alle europäischen Gesellschaften am heftigsten umtreibt, sind die Migrationsbewegungen aus den Krisenländern der Welt. [...] Zwar verspricht eine Erweiterung der aktuellen Diskurse um die Perspektiven der zeithistorischen Forschung keine Lösung des Problems. Eine sachlichere und ehrlichere Analyse der Krisenhintergründe, der Verzicht auf Ost-/West- Stereotype und eine Debatte, die den historischen Verlauf nicht mehr unterschlägt, sollte jedoch möglich sein. Um den Rahmen der Diskussionen zu erweitern, haben wir einen Themenschwerpunkt initiiert, der mit Beiträgen von Historiker/innen beginnt, die sich mit dem Phänomen der Fremdenfeindlichkeit und ihrer Geschichte in Osteuropa, in der ehemaligen DDR und dem heutigen Tschechien auseinandersetzen. Der Themenschwerpunkt wird sukzessive erweitert, denn die Krise hat gerade erst begonnen…
„Ich sehe aus wie Alain Delon“
Vor 45 Jahren: Breschnew und Brandt baden gemeinsam auf der Krim
Vor 45 Jahren: Breschnew und Brandt baden gemeinsam auf der Krim * Von Susanne Schattenberg * Oktober 2016 Am 16. September 1971 empfing Leonid Breschnew Willy Brandt in Simferopol, bewirtete ihn dort mehrere Stunden, um ihn, wie Brandt der festen Überzeugung war, „unter den Tisch zu trinken“....
Süße Erinnerungen
Eisverpackungen als Träger populärer russischer Geschichtserzählungen zwischen Stalin und Pin-up
Eisverpackungen als Träger populärer russischer Geschichtserzählungen zwischen Stalin und Pin-up * Von Monica Rüthers * September 2016 Werbekampagnen funktionieren umso besser, je geschickter sie sich an populärkulturelle Vorstellungen und das Selbstverständnis ihrer jeweiligen Zielgruppe anpassen. Daher kann man davon ausgehen, dass regelmäßig auftauchende Motive und Klischees die Kunden ansprechen. Glaubt man der russischen Werbung für den heimischen Markt, vermögen Russen große Kälte und außerordentliche Hitze zu ertragen. Beweise dafür sind Polarexpeditionen, das winterliche Baden in Eislöchern und die Banja.
Die Republik der Gerechten
Filme über Polen, die Juden retteten
Filme über Polen, die Juden retteten * Von Christian Prüfer und Piotr Forecki * Juli 2016 Oberflächlich betrachtet, hat das Thema der polnischen „Gerechten“, also jener Polen, die während des Holocaust Juden (zugleich polnische Staatsbürger) gerettet haben, nach den letzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2015 an Bedeutung gewonnen. Im Grunde jedoch hat sich mit dem Wahlsieg der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) nicht viel geändert. Die PiS ist eine populistische, national-katholische Gruppierung, die vorgibt, um den guten Ruf der Nation besorgt zu sein und nur ungern die dunklen Seiten der polnisch-jüdischen Geschichte anspricht.
Verordnete Geschichte? Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen
Eine Einführung
Eine Einführung * Von Katrin Stoll, Sabine Stach und Magdalena Saryusz-Wolska * Juli 2016 Am 17. November 2015, drei Monate nach seiner Vereidigung als neuer Staatspräsident von Polen, lud Andrzej Duda ausgewählte Historiker, Publizisten, Museumsleiter und Politiker in seinen Wohnsitz, den Warschauer Belvedere-Palast, ein. Das Treffen war als programmatischer Auftakt für die Erarbeitung einer neuen geschichtspolitischen Strategie für Polen konzipiert. In seiner Eröffnungsrede ließ Duda keinen Zweifel daran, welch hohe Priorität der „richtige“ Umgang mit der Vergangenheit für Polen – und damit für sein eigenes Amtsverständnis – habe: „Geschichtspolitik zu betreiben, ist eine der wichtigsten Tätigkeiten des Präsidenten. Der Präsident ist der höchste Vertreter der Republik Polen. Es gibt eine große Erwartung ihm gegenüber, und ich möchte dieser gerecht werden.“
Verordnete Geschichte?
Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen
Zur Dominanz nationalistischer Narrative in Polen * Von Magdalena Saryusz-Wolska, Sabine Stach und Katrin Stoll * Juli 2016 In unserem Themenschwerpunkt untersuchen wir die neuesten geschichtspolitischen Praktiken und erklären ihren Erfolg aus der Kontinuität nationalistischer Narrative im öffentlichen Diskurs. Wir vertreten die These, dass das Propagieren eines einseitig positiven, triumphalen, nationalistischen Bildes der Vergangenheit keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der neuen rechtskonservativen PiS-Regierung ist. Vielmehr greifen die Akteure auf altbekannte Motive der polnischen Geschichtskultur zurück – sowohl auf jene, die sie selbst in ihrer ersten Amtszeit von 2005 bis 2007 verwendeten, als auch auf solche, die viel tiefer in der polnischen Gesellschaft und Kultur verankert sind. Wie Geschichtspolitik in mehreren nationalistischen Gewändern daherkommt, wird anhand verschiedener Fallstudien gezeigt.
Des Kaisers neue Kleider
Eine Analyse des aktuellen rechtskonservativen Geschichtsdiskurses in Polen
Eine Analyse des aktuellen rechtskonservativen Geschichtsdiskurses in Polen * Von Karol Franczak und Magdalena Nowicka * August 2016 Einer der Gründe für den Erfolg der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) in der polnischen Öffentlichkeit ist ihr konsequentes Eintreten für eine Geschichtsnarration, die, Michel Foucault folgend, als Gegen-Geschichte bezeichnet werden kann[1]. Dabei handelt es sich um ein affirmatives Geschichtsbild, welches bis vor Kurzem noch von der Mehrheit der polnischen Eliten als radikal und manipuliert bezeichnet wurde. Diese Gegen-Geschichte kehrt die vorherrschende Interpretation der Ereignisse um: der Erfolg des Runden Tisches von 1989 wird als eine verräterische Absprache der Opposition mit den kommunistischen Machthabern dargestellt, die führenden Akteure des Transformationsprozesses werden als käufliche Eliten beschrieben und die letzten hundert Jahre der polnischen Geschichte als Epoche ungebrochenen Heroismus‘ erzählt. Diese Gegen-Geschichte ist im heutigen Polen ein Instrument der Abrechnung.
Die „Verstoßenen Soldaten“
Embleme eines Erinnerungsbooms
Embleme eines Erinnerungsbooms * Von Maria Kobielska * Juli 2016 Als Wissenschaftlerin, die sich mit der aktuellen polnischen Erinnerungskultur – und damit auch mit dem eigenen kulturellen Umfeld – beschäftigt, kann ich den neuesten Erinnerungsboom kaum übersehen. Dabei handelt es sich vor allem um das forcierte Gedenken an die sogenannten „Verstoßenen Soldaten“. Die polnische Erinnerungskultur konzentriert sich gegenwärtig in hohem Maße auf die militärische und politische Geschichte des Landes, auf große historische Ereignisse und die Leistungen der polnischen Armee. Diese Erinnerungskultur ist männlich, katholisch, ethnisch polnisch, zentralisiert, antikommunistisch und in jeder Hinsicht normativ. Zwar gibt es darin auch innovative, abweichende und kritische Elemente, diese nehmen jedoch stets auf die beschriebene Fokussierung der Erinnerungskultur Bezug, reagieren darauf und verarbeiten sie. Der „Boom der Verstoßenen“ treibt diese Form des Gedenkens allerdings ins Extreme.