Unbekanntes 1988
Die Texte des Themenschwerpunktes Unbekanntes 1988. Deutsch-deutsche Perspektiven auf das „Jahr davor“ sind im Rahmen einer Übung des "Schreiblabors Geschichte" entstanden. Die Übung fand im Wintersemester 2013/14 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter Leitung von Christoph Lorke und Alexander Kraus statt. Die daraus entstandenen Texte werden wir in loser Reihenfolge jeweils wöchentlich auf Zeitgeschichte-online veröffentlichen. Der Schwerpunkt nimmt insgesamt sechs, sehr unterschiedliche, Themenfelder des Jahres 1988 in den Blick.
Einleitung: Unbekanntes 1988
Wohl nur wenige Zeitgenossen teilten im Jahr 1988 Helmut Kohls Optimismus, der ein baldiges Ende der Zweistaatlichkeit prophezeite. Im Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation im geteilten Deutschland betonte er am 1. Dezember im Deutschen Bundestag, sich mit der „Teilung unseres Vaterlandes“ mitnichten abfinden zu wollen: „Die Teilung zu überwinden und bis dahin den Zusammenhalt der Nation zu bewahren“,[1] formulierte er als die beiden wesentlichen Ziele einer „verantwortungsvollen“ Deutschlandpolitik.
Die Vielfalt des Erinnerns
Russlands geschichtspolitischer Sonderweg
Die Debatte um die Teilnahme der Bundeskanzlerin an den Feierlichkeiten am 9. Mai in Moskau und die Aufregung um den vereitelten Triumphzug der Rockergruppe „Nachtwölfe“ nach Berlin haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf das russische Gedenken an den „Großen Vaterländischen Krieg“ gelenkt.
Nachkriegskinder
Krieg ist Gegenwart. Dazu gehören europäische Auslandseinsätze in Mali oder dem Kosovo ebenso wie Bürgerkriege in Zentralafrika, Syrien oder der Nah-Ost-Konflikt. Wenn in den Medien die Opfer der Bürgerkriege gezählt und Versorgungsnotstände beklagt werden, wenn Kriegsflüchtlinge im Mittelmeer sterben, dann bleibt uns das trotz aller Live-Berichte und Visualisierungen fern.
Utopien und Bildungsexperimente in der Tschechoslowakei der 1950er Jahre
Ein Dokumentarfilm aus dem Jahre 2015, der sich mit einer speziell für Romakinder eingerichteten Schule befasst, die in der stalinistischen Tschechoslowakei das Ziel verfolgte, „Zigeuner“ zu „zivilisieren und zu kultivieren“, weckt bei dem historisch und postkolonial vorgebildeten Zuschauer relativ präzise Erwartungen. Die Schlagworte „Experiment“ und „Utopie“ verstärken diese Erwartungen zusätzlich, ebenso wie der Titel „Zatajené dopisy“ (Geheimgehaltene Briefe).