Steven Spielberg und die Spirale der Gewalt

Der Titel des Films München lässt die Assoziation mit dem terroristischen Terrorakt der Olympiade 1972 nicht sofort aufscheinen. Die Stadt München bietet eine Menge Stoff für Spielberg’sche-Historienfilme: die Münchener Räterepublik nach dem Ersten Weltkrieg, München als die „Hauptstadt der Bewegung“, wie Adolf Hitler sie sah oder das Oktoberfestattentat von 1980.  Hätte Spielberg den Film München 72 genannt, wäre die Assoziation eindeutig gewesen. Die Kombination des Namens der Stadt mit der Jahreszahl 1972 ist im kollektiven Gedächtnis unweigerlich mit dem Ereignis verbunden, dass den Auftakt zu diesem Agenten-Thriller bildet. Damit keine Missverständnisse entstehen, in welchem historischen Kontext der Film zu verorten ist, zeigt er bereits in den ersten zehn Minuten eine dokumentarisch anmutende Darstellung des palästinensischen Olympia-Attentats auf die israelischen Sportler. In technisch-dramaturgisch, brillanter Art und Weise ruft Spielberg sofort zu Beginn die kollektive Erinnerung hervor. Sowohl Zeitzeug:innen wie auch Nachgeborene assoziieren mit dem Olympia-Attentat die auf dem Balkon stehenden und mit Strumpfmasken bedeckten Terroristen.

Die Medienberichterstattung der frühen 1970er-Jahre begleitete die terroristischen Vorgänge damals live; in Dokumentationen zu diesem tragischen historischen Ereignis wurden diese Bilder reproduziert. Spielberg erzeugt beim Publikum einen Wiedererkennungseffekt, den er benötigt, um seine Story von der israelischen Vergeltung nach dem Attentat und der sich weiterdrehenden Spirale der Gewalt zu erzählen.

Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb Spielberg den Film lediglich München betitelt hat: die Stadt und die Assoziation mit dem Olympia-Attentat sind für ihn nur eine Chiffre. Das terroristische Ereignis ist für Spielberg eine weitere traurige Episode in dem ewigen Kampf zwischen Palästina und Israel, zwischen Arabern und Juden. Gewalt erzeugt Gegengewalt, actio gleich reactio, Vendetta. All das beschreibt das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinenser:innen in ihrer blutigen gemeinsamen Geschichte.

In dem Film wird ein Agenten-Team begleitet, dass stellvertretend für das jüdische Volk und den Zionismus Rache nehmen soll an den palästinensischen Terroristen, die zivile Sportler gefangen und ermordet haben. Mit jeder begangenen „Liquidation“ eines Arabers erfolgen irgendwo anders auf der Welt arabisch-terroristische Gegenreaktionen, von Spielberg in Szene gesetzt durch mediale Berichterstattung, die die Agenten wahrnehmen. Der Hass der jüdischen Agenten steigert sich innerhalb der Mission, die vorsieht eine Liste von „zu beseitigenden“ Arabern, die mit dem München-Attentat in Verbindung stehen sollen, abzuarbeiten.

Die Gewaltspirale dreht sich weiter und weiter bis dem Team und dem Protagonisten Avner Kaufmann die Sinnlosigkeit des Unterfangens bewusst wird. Schließlich geht ihm auf, dass er gar nicht direkt nach am 72er- Attentat beteiligte Terroristen fahndet, sondern nach Feinden des Staates Israel, die andere Angriffe auf den jüdischen Staat zu verantworten haben. Es entsteht der Eindruck, dass der der israelische Geheimdienst Mossad das die Welt schockierende Ereignis des Olympia-Attentats nutzt, um alte Rechnungen zu begleichen. Es geht Spielberg mit dem Film nicht zwingend um das terroristische Ereignis selbst, sondern darum, wie es sich in die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts einfügt und wie die Spirale der Gewalt sich weiterdreht.

Der Film ist aus dem Jahr 2005, doch auch wenn man ihn sich später anschaut, wird gewahr, wie zeitlos er ist. Nicht, weil Spielberg einen zeitlosen Klassiker geschaffen hat, sondern weil das Thema der gewaltvollen Auseinandersetzung, der blutige Konflikt zwischen Israel und Palästina und der damit verbundene Terrorismus stets aktuell war und ist.

 

Im Rahmen der diesjährigen Hommage der Berliner Filmfestspiele wird München am Donnerstag, 23. Februar um 19:00 Uhr im Cubix 6 und am Sonntag 26. Februar um 19:00 Uhr in Cubix 3 gezeigt.

 

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