Einladung zur Wiederentdeckung
Jiří Menzels „Lerchen am Faden“ bei der 72. Berlinale
Die Filmzensur hat viele Gesichter. Meistens sind sie grimmig, manchmal triumphiert am Ende aber auch das Lachen. So wie im Fall von Jirí Menzels „Lerchen am Faden“ („Skrivánci na nítich“) – ein satirisches Meisterwerk, das 1969 in der ČSSR zunächst im Giftschrank landete und dann 21 Jahre später, nach der „Samtenen Revolution“, doch noch öffentlich gezeigt werden konnte.
Amintiri de pe Frontul de Est/ Erinnerungen an die Ostfront
Ein Fotoalbum als Stummfilm in den Berlinale Shorts
Bei genauerer Betrachtung sind sich die Medien Fotoalbum und Film überraschend ähnlich: Beide sind kuratiert und inszeniert. Wir sehen nur, was für zeigenswert erachtet wurde, bekommen nur selektive Einblicke in die Wirklichkeit und lassen uns vom Arrangement der Albengestalter:innen und Regisseur:innen leiten.
Eine schwierige Geschichte
Über den Ort der Reichsgründung in der Identitätssuche der DDR*
*Der Beitrag ist in gekürzter Form auch im Begleitkatalog zu der Sonderausstellung "1870/71. Reichsgründung in Versailles" der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh erschienen (Die DDR und die Reichsgründung, in: Ulrich Lappenküper/Maik Ohnezeit (Hrsg.), 1870/71. Reichsgründung in Versailles, Friedrichsruh 2021, S. 200-205). Hier der digitale Rundgang durch die Ausstellung.
„Lieber Thomas“
Eine Hommage an Thomas Brasch von Andreas Kleinert
Zur aktuellen Rezeption
Thomas Brasch ist ein Untoter. Zwanzig Jahre nach seinem Tod ist der Schriftsteller, Filmemacher und Übersetzer bekannter als zum Zeitpunkt seines Todes. Dabei sind es weniger seine Bücher, Filme und Theaterstücke, die wiederentdeckt werden, sondern vielmehr das Echo seiner Persönlichkeit und seiner Werke in den Filmen, Büchern und in der Musik anderer.
Public History als Talkshow
Die Debatte um die Alltagsgeschichte im Fernsehen (1984)
Am 7. Oktober 1984 kam es in West-Berlin zu einer ungewöhnlichen Begegnung. In einem Fernsehstudio des Senders Freies Berlin (SFB) trafen drei Historiker aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Bei den drei Public Historians handelte es sich um einen zentralen Vertreter der Bielefelder Schule, um einen namhaften Berliner Historiker, der kurze Zeit später seinen Ruf verspielen sollte, und um einen jungen Doktoranden, der noch von sich hören machen sollte.
Reclaiming your story by rewriting history
Eine Rundreise durch methodische Ansätze im Dokumentarfilm
Ist die Geschichte der eigenen Vorfahren, der eigenen Community oder der eigenen Nation bis heute maßgeblich oder gar ausschließlich von den schriftlichen, fotografischen und filmischen Quellen einer fremden Kolonialmacht dominiert, müssen sich Filmemacher*innen, die diese neu beleuchten wollen, mit den zum Teil begrenzten möglichen Darstellungsformen auseinandersetzen.
Vom Lesen, Hören und Gehen in der Zeitschleife
Ein Editorial zum Ende des Jahres 2021
Das Phänomen der Zeitschleife ist ein beliebtes Motiv im Film, und ähnelt dem, was wir gerade erleben. Als ich mich daran machte dieses Editorial zu schreiben, und zuvor jenes des Jahres 2020 noch einmal las, hatte ich das Gefühl, ich befände mich in einer solchen. Nur sind die Zeitschleifen der Gegenwart leider vollkommen unsexy, verglichen mit den großen Abenteuern etwa der Teenager im achtziger Jahre-Look in „Stranger Things“.
Oberflächengenauigkeiten
Zum Geschichtsbild von BABYLON BERLIN
Zwei Männer sitzen beim Frühstück. Einer trägt Hausjacke mit Monogramm, der andere einen dunklen Zweireiher. Man diskutiert Weltpolitik und wird sich nicht einig: Gustav Stresemann (Werner Wölbern) und Regierungsrat Wendt (Benno Fürmann). Am Ende der Szene liegt Stresemann am Boden und Wendt schaut tatenlos zu, wie dessen Atem endgültig aussetzt. Während die historische Person Gustav Stresemann zu den wichtigsten deutschen Politiker*innen des 20.
Tschernobyl. Ein umkämpftes Terrain
Erinnerung zwischen den Fronten: Die US-britische Serie Chernobyl und der russische Kinofilm Tschernobyl 1986
Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl erschütterte im Mai 2019 die Welt ein zweites Mal. Die Miniserie Chernobyl[1] rief den Reaktorunfall, der sich am 26. April 1986 nahe der ukrainischen Stadt Prypjat ereignete, ins Gedächtnis und fesselte bei Sky und HBO ein Rekordpublikum an die Bildschirme. Im Westen erntete die britisch-amerikanische Produktion reichlich Lob und Preise – in Russland dagegen stieß die Serie auf teils harte Kritik.
Psychiatriegeschichte als Horrordrama
Die Netflix-Serie „Ratched“ und die Grenzen des Wahnsinns
Im Jahr 1948 an der Küste Kaliforniens. Die selbst ernannte Krankenschwester Mildred Ratched erschleicht sich einen Posten im Lucia State Hospital, einer psychiatrischen Anstalt, in die ihr Bruder Edmund Tolleson in Kürze eingeliefert werden soll. Ihre Mission: Aus Schuldgefühlen will sie Edmund, der mehrere Priester massakriert hat und über dessen Schuldfähigkeit der visionäre Leiter der Anstalt entscheiden soll, vor der Todesstrafe retten und geht dabei im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen.